Wettbewerbsverbot – Erlaubt? Verboten? Kartellrechtswidrig?

Wettbewerbsverbot - Lieferant und Abnehmer vereinbaren, dass der Abnehmer keine Konkurrenzprodukte verkauft

Ein Wettbewerbsverbot liegt vor, wenn ein Händler seinem Lieferanten verspricht, keine Konkurrenzware zu verkaufen. Auch von Markenzwang oder Alleinbezug ist die Rede.

  • Worin liegen die Unterschiede?
  • Was ist kartellrechtlich verboten?
  • Und wie groß ist das Risiko?

Ich zeige Ihnen, was möglich ist und wann ein Wettbewerbsverbot Kartellrecht verletzen und damit verboten sein kann.

Was ist ein Wettbewerbsverbot? Was bedeutet Markenzwang? Und was ist der Alleinbezug?

In einem engeren Wortsinn ist eine Alleinbezugspflicht eine Verpflichtung, die Vertragsware nur vom jeweiligen Lieferanten zu beziehen.

Lieferanten verbinden eine solche Alleinbezugspflicht häufig mit dem Verbot, Konkurrenzprodukte zu vertreiben. Ein solches Verbot heißt Wettbewerbsverbot. Man spricht dann auch vom Markenzwang. Denn das Wettbewerbsverbot „zwingt“ den Abnehmer, seine Aktivitäten auf eine Marke zu beschränken. Das Wettbewerbsverbot kann sehr streng sein und keinerlei Konkurrenztätigkeit zulassen. Es kann aber auch Spielraum für Konkurrenzprodukte lassen, etwa durch Vorgabe eines Anteils der Vertragsware von zumindest 80% am Gesamtumsatz.

In einem weiteren, weniger exakten Wortsinn werden die Begriffe „Alleinbezug“ und „Wettbewerbsverbot“ freilich nicht streng auseinandergehalten.

Wichtig: In weiterer Folge geht es stets um die Beziehung des Herstellers zu einem Vertragshändler, also einem Vertriebsmittler, der im eigenen Namen tätig ist.

Abgrenzung zum Exklusivvertrieb

Wenn ein Wettbewerbsverbot nicht den Abnehmer bindet, sondern den Lieferanten, dann spricht man vom Alleinvertrieb oder Exklusivvertrieb. Hingegen wird in solchen Fällen der Begriff „Wettbewerbsverbot“ kaum verwendet. Der Exklusivvertrieb spielt in diesem Beitrag keine Rolle.

(Sie finden aber hier eine kartellrechtliche Erörterung des Exklusivvertriebs.)

Abgrenzung zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot

Ein den Abnehmer bindendes Wettbewerbsverbot kann für die Zeit des aufrechten Vertragsverhältnisses vereinbart sein. Darum geht es in diesem Beitrag.

Lieferant und Abnehmer können ein den Abnehmer bindendes Wettbewerbsverbot aber auch für die Zeit nach Vertragsende vereinbaren. Man spricht dann von einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Informationen zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot eines Handelsvertreters oder Vertragshändlers finden Sie hier. Informationen zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot eines Franchisenehmers finden Sie hier.

Beschränkt ein Wettbewerbsverbot den Wettbewerb? Fällt es unter das Kartellverbot?

Keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

Der EuGH hat sich schon mehrfach mit Wettbewerbsverboten auseinandergesetzt. Nach seiner ständigen Rechtsprechung handle es sich dabei in aller Regel nicht um eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung. Denn Alleinbezug und Wettbewerbsverbot böten Vorteile sowohl für den Lieferanten als auch für den Händler und die Verbraucher. Ihren Ursprung nahm diese Betrachtungsweise in der Entscheidung EuGH 28.2.1991, C-234/89, „Delimitis“, Rn. 11 ff:

  • Der Vorteil des Lieferanten bestehe in einer gewissen Absatzgarantie. Der Händler werde seine Verkaufsbemühungen auf den Absatz der Vertragswaren konzentrieren. Der Lieferant könne den Verkauf seiner Waren während der Vertragsdauer planen und Produktion und Vertrieb effizient organisieren.
  • Der Vorteil des Händlers bestehe zunächst im Zugang zum Markt unter günstigen Bedingungen und mit einer Bezugsgarantie. Darüber hinaus gebe das gemeinsame Interesse an der Absatzförderung dem Händler die Gewähr, dass der Lieferant ihn dabei unterstützen wird, die Qualität der Waren und den Kundendienst sicherzustellen.
  • Von der Qualität der Waren und des Kundendienstes werden dann wiederum auch die Verbraucher profitieren.

Wettbewerbsverbote haben häufig Vorteile für alle Beteiligten. Daher keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

Womöglich aber bewirkte Wettbewerbsbeschränkung

Zu prüfen bleibe nach der Rechtsprechung aber, ob das Wettbewerbsverbot eine Wettbewerbsbeschränkung bewirke.

Vgl. dazu EuGH 28.2.1991, C-234/89, „Delimitis“, Rn. 11 ff; EuG 8.6.1995, T-7/93, „Langnese Iglo, Rn. 94 ff; EuG 8.6.1995, T-9/93, „Schöller, Rn. 71 ff; EuGH 7.12.2000, C-214/99, „Neste Markkinointi Oy, Rn. 25 ff; EuGH 26.11.2015, C‑345/14, „Maxima Latvija, Rn. 26 ff:

Der Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass bei der Beurteilung der Wirkungen einer Wettbewerbsvereinbarung der wirtschaftliche und rechtliche Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen ist, in dem die Vereinbarung steht und zusammen mit anderen zu einer kumulativen Auswirkung auf den Wettbewerb führen kann (Urteil Delimitis, C‑234/89, EU:C:1991:91, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss Unilever Bestfoods/Kommission, C‑552/03 P, EU:C:2006:607, Rn. 84).

EuGH 26.11.2015, C‑345/14, „Maxima Latvija“, Rn. 26.

  • Erstens seien sämtliche Umstände zu berücksichtigen, die für den Zugang zum relevanten Markt bestimmend seien. Kann ein Mitbewerber des Lieferanten am relevanten Markt trotz des Wettbewerbsverbotes Fuß fassen? Zu prüfen seien dabei Verfügbarkeit und Zugänglichkeit der notwendigen Vorleistungen, aber auch das Bestehen wirtschaftlicher, administrativer oder rechtlicher Hindernisse.
  • Zweitens seien die Bedingungen zu beurteilen, unter denen der Wettbewerb auf dem relevanten Markt stattfindet. Von Bedeutung seien dabei Zahl und Größe der Marktteilnehmer, Grad an Marktkonzentration, Treue der Verbraucher und Konsumgewohnheiten.

Nur wenn nach einer vertieften Prüfung des wirtschaftlichen und rechtlichen Gesamtzusammenhangs sowie der Besonderheiten des relevanten Marktes festgestellt werde, dass der Zugang zu diesem Markt durch die Gesamtheit aller auf diesem Markt festgestellten gleichartigen Verträge erschwert werde, sei zu prüfen, inwieweit diese Verträge zu einer möglichen Abschottung dieses Marktes beitragen. Verboten seien nur solche Vereinbarungen, die erheblich zu dieser Abschottung beitragen.

Zwischenergebnis: Wettbewerbsverbote sind womöglich wettbewerbsbeschränkend

Oft können Alleinbezugsverpflichtungen und Wettbewerbsverbote
(Markenzwang) schon gar nicht als wettbewerbsbeschränkend angesehen
werden. In solchen Fällen fallen diese Klauseln deshalb nicht unter das
Kartellverbot. Ein Kartellrechtsverstoß kann dann nicht vorliegen.

In anderen Fällen wird man aber eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung annehmen müssen.

Folge: Rechtsunsicherheit, aber auch Argumentationsspielraum

Rechtsunsicherheit, ob eine Wettbewerbsbeschränkun bewirkt wirdDass man prüfen muss, ob ein Wettbewerbsverbot eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt, führt zu einem erheblichen Maß an Rechtsunsicherheit für die betroffenen Unternehmen. Die Erfahrung zeigt: Wenn ein kartellrechtliches Risiko besteht, verzichtet man auf die Klausel.

Gleichzeitig verschafft diese Prüfung einem Unternehmen, dem ein Wettbewerbsverbot als Kartellrechtsverstoß vorgeworfen wird, auch erheblichen Argumentationsspielraum.

Als Grundregel kann gelten: Wenn das Wettbewerbsverbot Dritten den Marktzugang erschwert, ist es problematisch. Wenn es erheblich zur Marktabschottung beiträgt, ist das kartellrechtliche Risiko bereits hoch.

Ist ein wettbewerbsbeschränkendes Wettbewerbsverbot dann wenigstens freigestellt?

Wettbewerbsbeschränkende und damit unter das Kartellverbot fallende Klauseln können vom Kartellverbot freigestellt werden. Sie sind dann erlaubt und wirksam, obwohl sie unter das Kartellverbot fallen.

Bei Vereinbarungen im vertikalen Verhältnis, also im Vertrieb, bietet sich vor allem die Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 330/2010 an. Die Vertikal-GVO stellt vertikale Vereinbarungen pauschal vom Kartellverbot frei, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen. Erstens darf der Marktanteil der Vertragsparteien den Wert von jeweils 30% nicht überschreiten. Zweitens dürfen bestimmte Klauseln nicht vorkommen (das sind „Kernbeschränkungen“ gemäß Art 4), andere wiederum sind von der Freistellung ausgenommen (Art 5).

Und tatsächlich sind durch die Vertikal-GVO auch Wettbewerbsverbote bis zu einer Dauer von 5 Jahren vom Kartellverbot freigestellt. Denn gemäß Art 5 Abs 1 lit a) der Vertikal-GVO sind nur jene Wettbewerbsverbote von der durch die Vertikal-GVO gewährten Freistellung ausgenommen, die für eine unbestimmte Dauer oder für eine Dauer von mehr als 5 Jahren gelten.

Wettbewerbsverbote sind häufig durch die Vertikal-GVO freigestellt

Vorsicht vor der weiten Definition des "Wettbewerbsverbots"

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings die Legaldefinition des Begriffes „Wettbewerbsverbot“ gemäß Art 1 Abs 1 lit d) der Vertikal-GVO: Diese erfasst

  • jede Verpflichtung, die den Abnehmer veranlasst, keine Waren oder Dienstleistungen herzustellen, zu beziehen, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen, die mit den Vertragswaren oder -dienstleistungen im Wettbewerb stehen, und
  • jede unmittelbare oder mittelbare Verpflichtung des Abnehmers, auf dem relevanten Markt mehr als 80% seines Gesamtbezugs an Vertragswaren oder -dienstleistungen und ihren Substituten, der anhand des Werts des Bezugs oder, falls in der Branche üblich, anhand des bezogenen Volumens im vorangehenden Kalenderjahr berechnet wird, vom Anbieter oder von einem anderen vom Anbieter benannten Unternehmen zu beziehen.

Insbesondere die Ausweitung des Wettbewerbsverbotes auf mittelbare Verpflichtungen und die Herabsetzung der relevanten Schwelle auf 80% verdienen bei der Vertragserstellung besonderes Augenmerk. Etwa können hohe Mindestbezugsmengen bewirken, dass ein Vertragshändler de facto keine Konkurrenzprodukte mehr veräußern kann. Um mittelbare Wettbewerbsverbote handeln kann es sich auch bei wirtschaftlichen Anreizregelungen wie Treuerabatten, Kombinations­preisen oder Zielrabatten.

Es kommt deshalb häufig vor, dass ein Wettbewerbsverbot nicht als solches erkannt und deshalb auf die Befristung auf 5 Jahre vergessen wird. Was dann?

Worin besteht nun das Risiko? Sind Wettbewerbsverbote sehr riskant?

Gemindert wird das damit verbundene Risiko insofern, als selbst bei nicht ausreichend befristeten Wettbewerbsverboten nur das jeweilige Wettbewerbsverbot selbst unwirksam ist (natürlich nur, wenn es eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt). Die restliche Vertriebsvereinbarung bleibt hingegen vom Kartellverbot freigestellt und somit voll wirksam.

Gestritten wird vor Gericht dann also nur um die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots, nicht um die Wirksamkeit der sonstigen wettbewerbsbeschränkenden, aber freigestellten Vertragsklauseln.

Im Zusammenhang mit der Höchstlaufzeit von 5 Jahren stellt sich die Frage, ob sogenannte Kettenverträge zulässig sind. Die Antwort lautet „Ja“. Es ist somit möglich, mehrere aufeinanderfolgende Vertriebsverträge mit jeweils fünfjähriger Laufzeit und entsprechendem Wettbewerbsverbot abzuschließen. Dies gilt freilich nur, wenn der Abnehmer auch die Möglichkeit gehabt hätte, der Wirkung des Wettbewerbsverbotes ein Ende zu bereiten (vgl. Rn. 66 der Vertikal-Leitlinien). Eine bloße Verlängerungsoption des Lieferanten ist also nicht ausreichend, um eine neue Fünfjahresfrist auszulösen.

Umstritten und höchstgerichtlich noch nicht geklärt ist die Frage, ob die Geltung eines zu lange geltenden Wettbewerbsverbots auf die zulässige Dauer von 5 Jahren reduziert werden kann („geltungserhaltende Reduktion“) oder ob das Wettbewerbsverbot dann ganz wegfällt.

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