Kann der Vertrag ein Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters für die Zeit nach Vertragsende vorsehen?
Während des aufrechten Handelsvertreterverhältnisses unterliegt ein Handelsvertreter einem strengen Konkurrenzverbot. Dieses Konkurrenzverbot gilt auch ohne entsprechende ausdrückliche vertragliche Regelung (§ 5 Handelsvertretergesetz 1993).
Was aber gilt nach Vertragsende? Gerade dann ist die Konkurrenz durch den Handelsvertreter für den Unternehmer besonders gefährlich. Denn der Handelsvertreter kann seine dann noch „frischen“ Kontakte besonders leicht dazu nützen, Kunden des Unternehmers abzuwerben. Und aus Sicht des Handelsvertreters ist es eine naheliegende Option, mit dem Unternehmer in Wettbewerb zu treten. Geschehen kann dies wieder als Handelsvertreter (also im Namen eines Mitbewerbers des ehemaligen Geschäftsherrn) oder aber überhaupt gleich im eigenen Namen.
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Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist unwirksam
In aller Regel kann sich der Unternehmer gegen die Konkurrenz seines ehemaligen Handelsvertreters vertraglich nicht effektiv schützen. Denn die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots mit einem Handelsvertreter ist unwirksam (§ 25 Handelsvertretergesetz 1993). Diese Unwirksamkeit gilt in jedem Fall, also unabhängig von der Art der Beendigung des Handelsvertretervertrages, und kennt keine Ausnahmen. Der Handelsvertreter ist somit noch stärker geschützt als Angestellte. Denn zugunsten von Angestellten setzen §§ 36 und 37 Angestelltengesetz der Möglichkeit des nachvertraglichen Konkurrenzverbots zwar Grenzen, schließen diese Möglichkeit aber nicht vollständig aus. Die Bestimmung des § 25 Handelsvertretergesetz kennt nicht nur keine Ausnahmen, sondern ist auch an sich schon äußerst weit formuliert. Denn sie erklärt alle Vereinbarungen für unwirksam, „durch die der Handelsvertreter für die Zeit nach Beendigung des Vertragsverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränkt wird“. Sie umfasst also alle Beschränkungen der Erwerbstätigkeit für die Zeit nach Vertragsende. Aufgrund dieser weiten Formulierung umfasst die Bestimmung auch die sogenannten Kundenschutzklauseln. Zum insoweit gleich lautenden § 36 Angestelltengesetz hat der Oberste Gerichtshof bereits bestätigt, dass eine Kundenschutzklausel unter den Begriff der Konkurrenzklausel fällt (OGH 22.2.2006, 9 ObA 185/05d; vgl. auch RIS-Justiz RS0118907). Anders als ein allgemeines nachvertragliches Wettbewerbsverbot untersagt eine Kundenschutzklausel dem Handelsvertreter nicht, in Konkurrenz zum ehemaligen Vertragspartner zu treten. Verboten wird dem Handelsvertreter damit vielmehr nur die Belieferung des bestehenden Kundenstocks des Unternehmers. Aber auch eine solche Kundenschutzklausel kann aufgrund von § 25 Handelsvertretergesetz nicht wirksam vereinbart werden. .Hat der Ausgleichsanspruch Einfluss auf ein Wettbewerbsverbot?
Ein vom Handelsvertreter geltend gemachter Ausgleichsanspruch führt nicht dazu, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wirksam wird. Wenn der Handelsvertreter aber im großen Stil erfolgreich Kunden des Unternehmers abwirbt und von nun an selbst beliefert, dann wird der Ausgleichsanspruch entsprechend niedriger ausfallen. Denn insoweit werden die Tatbestandsmerkmale des § 24 Handelsvertretergesetz einfach nicht vorliegen. Details zu diesen Tatbestandsmerkmalen sind hier zu finden. .Das unwirksame Wettbewerbsverbot und die Grenzen des Lauterkeitsrechts
Für die Zeit nach Ende des Vertragsverhältnisses sichert das Gesetz dem Handelsvertreter somit ein hohes Maß an wirtschaftlicher Freiheit. Dieses Maß ist noch höher als jenes von Angestellten. Dennoch darf der Handelsvertreter im Rahmen der Konkurrenzierung seines ehemaligen Vertragspartners keine verwerflichen Mittel einsetzen. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) setzt die Grenzen. Der Handelsvertreter darf den Kundenstock des Unternehmers nicht unter Verwendung verwerflicher Mitteln oder unter Verfolgung verwerflicher Ziele umwerben. Macht er dies dennoch, kann der Unternehmer auf Unterlassung klagen (§ 1 UWG). Lauterkeitsrechtlich verboten sind daher insbesondere die folgenden Praktiken:- Die Verleitung der Kunden des Unternehmers zum Vertragsbruch.
- Das planmäßige Abwerben von Kunden mit Schädigungsabsicht.
- Das Beschaffen von Kundenlisten auf unlautere Weise.
- Das Anschwärzen des Unternehmers als Mitbewerber.
Wird das Wettbewerbsverbot durch eine Entschädigung wirksam?
Vereinbarungen, mit denen dem Handelsvertreter finanzielle Anreize dafür geboten werden, mit dem Unternehmer nicht in Wettbewerb zu treten, ändern an der Unwirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes nichts. Der Unternehmer kann sich die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots somit nicht „erkaufen“. Die Grundlage dafür findet sich in der weiten Formulierung der Bestimmung des § 25 Handelsvertretergesetz. Im Gegensatz dazu eröffnet § 37 Abs 2 Angestelltengesetz einem Arbeitgeber diese Möglichkeit in bestimmten Konstellationen. .Fällt auch eine Dienstfreistellung unter das Wettbewerbsverbot?
Ein Handelsvertreter, der infolge der Kündigung des Vertrages für die Dauer der Kündigungsfrist (bis zum Vertragsende) gegen Fortzahlung des Entgelts von seinen Pflichten entbunden, also vom Dienst freigestellt wird, könnte nun Folgendes behaupten: Die Bestimmung über die Unwirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots verbiete es dem Unternehmer, den Handelsvertreter für die Dauer der Kündigungsfrist von seinem Dienst freizustellen. Denn im Ergebnis würde eine solche Dienstfreistellung in aller Regel dazu führen, dass der Handelsvertreter für die Zeit nach Beendigung des Vertragsverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränkt wird. Schließlich würde dem Handelsvertreter durch die Dienstfreistellung die Aufrechterhaltung seiner Kontakte und Beziehungen über den Zeitpunkt der Beendigung hinaus erschwert. Für die deutsche Bestimmung des § 90a Handelsgesetzbuch, die ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot innerhalb gewisser Grenzen zulässt, haben deutsche Gerichte bereits in diese Richtung argumentiert (OLG Brandenburg 18.7.1995, 6 U 15/95; zu AGB: BGH 29.3.1995, VIII ZR 102/94; auch für Österreich unter Verweis auf diese Rechtsprechung vorsichtig zustimmend Nocker, Handelsvertretergesetz 1993, 2. Auflage, § 25 Rz 17). Diese Rechtsansicht ist aus Sicht des Unternehmers vor allem dann problematisch, wenn der Handelsvertreter bereits während der Kündigungsfrist beginnt, einen Mitbewerber des Unternehmers „in Stellung zu bringen“. Muss der Unternehmer dies sehenden Auges zulassen? Im Übrigen benötigt der Unternehmer für eine bloße Dienstfreistellung unter Fortzahlung der ohne Freistellung verdienten Provisionen in aller Regel keine „Vereinbarung“, vielmehr reicht es dafür, die Dienste des Handelsvertreters nicht in Anspruch zu nehmen. Höchstgerichtlich ist in Österreich noch nicht geklärt, ob ein Handelsvertreter aus der bloßen „Unwirksamkeitsregelung“ des § 25 Handelsvertretergesetz, die auf Vereinbarungen Bezug nimmt, auch ein „Recht auf das Tätigwerden“ ableiten kann. Der Wortlaut des § 25 Handelsvertretergesetz allein gewährt dem Handelsvertreter jedenfalls kein derartiges Recht. .Ist die Bestimmung über das unwirksame Wettbewerbsverbot auf Vertragshändler analog anwendbar?
Eine analoge Anwendung der Bestimmung über das unwirksame nachvertragliche Wettbewerbsverbot auf Vertragshändler (und Franchisenehmer) wird immer wieder diskutiert. Die Rechtsprechung des OGH zur analogen Anwendung von Handelsvertreterrecht auf Vertragshändler legt eine Analogie nahe (RIS-Justiz RS0018335). Ausdrückliche Rechtsprechung fehlt allerdings. Nocker verweist zwar auf die Entscheidung des OGH vom 17. 12. 1997, 9 Ob 2065/96h (in Nocker, Handelsvertretergesetz 1993, 2. Auflage, § 25 Rz 19). Darin dreht sich aber alles um die analoge Anwendbarkeit der Bestimmung über den Ausgleichsanspruch (ehemals § 25 Handelsvertretergesetz 1921 = HVG, entspricht § 24 Handelsvertretergesetz 1993 = HVertrG), wohingegen die Bestimmung über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot (ehemals § 26 Handelsvertretergesetz 1921 = HVG, entspricht dem hier diskutierten § 25 Handelsvertretergesetz 1993 = HVertrG) in der Entscheidungsbegründung nur einmal kurz erwähnt wird, und zwar im in der Folge zitierten Absatz (Fettdruck durch mich):„Die nachvertragliche Treuepflicht des Handelsvertreters (JBl 1992, 451 = ecolex 1992, 317) spricht nicht gegen eine analoge Anwendung des § 25 HVG auf Vertragshändler. Auch vom Handelsvertreter kann eine umfassende Interessenwahrung nach Vertragsende nicht schlechthin verlangt werden. In der zitierten Entscheidung wurde nur ausgesprochen, dass es dem Handelsvertreter verwehrt ist, auf Kunden einzuwirken, die mit dem Geschäftsherrn geschlossenen Verträge wieder aufzulösen, auch wenn damit kein Vertragsbruch durch den Kunden verbunden ist. Beim Abschluss neuer Geschäfte ist nach der Auflösung des Rechtsverhältnisses zum Geschäftsherrn weder der Handelsvertreter noch der Vertragshändler beschränkt; dies folgt für ersteren schon aus der weiten Fassung des § 26 HVG.“ (OGH 17. 12. 1997, 9 Ob 2065/96h)Und diese Formulierung ist insofern bemerkenswert, als eine Analogie zu § 26 HVG (Handelsvertretergesetz 1921) für den Vertragshändler gerade nicht automatisch gezogen wird, sondern diese Bestimmung ausdrücklich nur auf den Handelsvertreter bezogen wird. Aus dieser Entscheidung lässt sich daher für die Analogiefrage nichts gewinnen. Für die Lösung der Analogiefrage entscheidend ist Folgendes: Ist es sachgerecht, die Unwirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auf den im eigenen Namen tätigen Vertragshändler gleichermaßen anzuwenden wie auf den im fremden Namen tätigen Handelsvertreter? Diese Frage wird wohl zu bejahen sein, und zwar aufgrund des folgenden Größenschlusses. Wenn schon dem Handelsvertreter nicht wirksam verboten werden kann, Kunden des Unternehmers nach Vertragsende abzuwerben, dann muss wohl dem Vertragshändler zugestanden werden, seine eigenen Kunden weiter zu beliefern. Denn während der Handelsvertreter ja streng betrachtet Kunden des Unternehmers abwirbt, geht es beim Vertragshändler nur um die Frage, inwieweit er seinen eigenen Kunden – er handelte ja stets im eigenen Namen – andere Produkte zu verkaufen. Er wirbt daher streng betrachtet nicht einmal fremde Kunden ab, sondern fährt einfach fort, seine eigenen Kunden zu beliefern (freilich mit der Konkurrenzware). Im Übrigen sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote vom Kartellverbot nicht freigestellt (Art 5 Abs 1 lit b Vertikal-GVO Nr. 330/2010), sodass je nach Konstellation und Marktanteil eine solche Klausel auch deshalb unwirksam sein kann. Freilich enthält Art 5 Abs 3 bestimmte Bedingungen, bei deren Vorliegen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot dann doch gelten kann. Und in diesem Falle ist völlig unklar, inwieweit eine analoge Anwendung von § 25 Handelsvertretergesetz einem gemäß Art 5 Abs 3 Vertikal-GVO Nr. 330/2010 vom Kartellverbot freigestellten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot entgegensteht, und ob der Anwendungsvorrang des Rechts der Europäischen Union hier schlagend wird. .
Und was gilt für Franchisenehmer?
Zur analogen Anwendung von § 25 Handelsvertretergesetz auf Franchisenehmer gibt es in Österreich noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung. Zuletzt wurde in der Rechtssache OGH 28.3.2017, 4 Ob 48/17p der Revisionsrekurs vom Rekursgericht unter anderem mit der Begründung zugelassen, zur Anwendbarkeit von § 25 Handelsvertretergesetz auf einen Franchisevertrag fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung. Der OGH musste sich zu dieser Frage in seiner Entscheidung dann aber gar nicht mehr äußern. Denn er war der Auffassung, das vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot wäre ohnehin sittenwidrig und schon deshalb unwirksam. Im Übrigen ist bei Franchiseverträgen aufgrund der bereits erwähnten Bestimmung des Art 5 Abs 1 und 3 Vertikal-GVO Nr. 330/2010 Vorsicht angebracht. .Sharen mit:
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