Wann hat ein Handelsvertreter einen Ausgleichsanspruch nach § 24 Handelsvertretergesetz?
Und wie berechnet ein Handelsvertreter diesen Ausgleichsanspruch?
Diese Fragen nehmen in der vertriebsrechtlichen Praxis in Österreich eine überragende Stellung ein. Dieser Beitrag liefert die Antworten.
Die Rechtsgrundlage des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters
Werfen wir zunächst einen Blick ins Handelsvertretergesetz (HVertrG):
Ausgleichsanspruch
§ 24. (1) Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses gebührt dem Handelsvertreter ein angemessener Ausgleichsanspruch, wenn und soweit
- er dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat,
- zu erwarten ist, daß der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann, und
- die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.
(2) Der Ausgleichsanspruch besteht auch dann, wenn das Vertragsverhältnis durch Tod des Handelsvertreters endet und die in Abs. 1 genannten Voraussetzungen vorliegen.
(3) … [dazu später]
(4) … [dazu später]
(5) … [dazu später]
Über Sinn und Zweck des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters
Der Ausgleichsanspruch wird überwiegend als Abgeltung für den Kundenstamm gesehen, den der Handelsvertreter dem Unternehmer zuführt (RIS-Justiz RS0117925). Der darin gelegene Vorteil geht über die Vermittlung der einzelnen Geschäfte, für die der Handelsvertreter eine Provision bekommt, noch hinaus. Denn der Unternehmer erhält die „Chance, den neuen Kundenstamm zu nützen“ (OGH 29.8.2011, 9 ObA 36/11a).
Als zusätzlicher Vergütungsanspruch honoriert der Ausgleichsanspruch den Aufbau beständiger Geschäftsverbindungen zwischen den neu geworbenen Kunden und dem Unternehmer (OGH 10.7.2003, 6 Ob 104/03t). Auch dies tritt zur reinen Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit des Handelsvertreters hinzu (Nocker, Handelsvertretergesetz 1993², § 24 Rz 39).
Diese Sicht ist deshalb so überzeugend, weil sie an die beiden zentralen Tatbestandsmerkmale des § 24 Abs 1 HVertrG anknüpft:
- Dem Zuführen neuer Kunden oder der wesentlichen Erweiterung bereits bestehender Geschäftsverbindungen (Ziffer 1).
- Den erheblichen Vorteilen, die der Unternehmer daraus auch nach Vertragsende erwartungsgemäß ziehen wird können (Ziffer 2).
Dieser Sicht liegt die folgende Erkenntnis zugrunde:
- Es muss gesondert gewürdigt werden, wenn ein Handelsvertreter dem Unternehmer neue Stammkunden verschafft. Denn diese werden womöglich noch über Jahre hinweg Bestellungen an den Unternehmer abgeben.
- Die reguläre Provision des Handelsvertreters allein honoriert das Zuführen von Stammkunden nicht. Schließlich gebührt sie für Laufkundschaft und Stammkundschaft im selben Maße.
- Dass der Ausgleichsanspruch erst bei Beendigung des Vertrages fällig wird, ist bei dieser Betrachtungsweise dann nur logische Konsequenz. Denn der Handelsvertreter profitiert von einer durch ihn geschaffenen beständigen Geschäftsverbindung zunächst selbst in erheblichem Maße. Er erwirtschaftet nämlich laufend Provisionen, ohne dass dem ein Aufwand für die Akquise gegenüberstünde.
- Unter Verweis darauf wird gern die Natur des Ausgleichsanspruchs als „kapitalisierter Provisionsanspruch“ ins Treffen geführt, vor allem in der deutschen Literatur: Der Handelsvertreter könne bei Vertragsende keine Folgeprovisionen mehr aus den von ihm akquirierten Kunden beziehen. Deshalb sei der Ausgleich als pauschale Vergütung für den neuen Kundenstamm und Abgeltung der entgehenden Folgeprovisionen zu verstehen. So betrachtet ist der Ausgleichsanspruch nichts anderes als ein kapitalisierter Provisionsanspruch. Und zwar für jene Geschäfte, die der Handelsvertreter nicht mehr vermitteln konnte, die der Unternehmer aber dennoch ihm verdankt.
Neue Kunden oder "intensivierte" Altkunden als 1. Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters
Ein Handelsvertreter hat einen Ausgleichsanspruch, „wenn und soweit er dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat“.
Das bestimmt die Ziffer 1 des oben einkopierten § 24 Abs 1 HVertrG. Und darin liegt das erste Tatbestandsmerkmal, also die erste Voraussetzung für einen Ausgleichanspruch (vgl. dazu auch RIS-Justiz RS0106003).
Der neue Kunde als zentrale Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch
Neu ist ein Kunde, mit dem der Unternehmer zu Beginn des Handelsvertretervertrages noch in keiner Geschäftsverbindung gestanden ist (OGH 20.2.2003, 6 Ob 170/02x; OGH 1.4.2009, 9 ObA 24/08g, vgl. auch [T1] in RIS-Justiz RS0108023).
Ein Neukunde wurde während des aufrechten Handelsvertreterverhältnisses erstmals Kunde des Unternehmens (RIS-Justiz RS0108023). Neu sein muss der Kunde also für den Unternehmer, nicht zwingend auch für den Handelsvertreter. Daher sind vor allem all jene Kunden nicht ausgleichsrelevant, die der Handelsvertreter von einem anderen Handelsvertreter oder vom Unternehmer übernimmt.
Allerdings kann ein Kunde auch dann neu sein, wenn er bereits früher Kunde des Unternehmers war. Voraussetzung dafür ist eine nicht mehr intakte Geschäftsverbindung des Kunden mit dem Unternehmer, die der Handelsvertreter neu belebt hat:
„Zu den neuen Kunden zählen zudem auch solche, deren frühere Geschäftsverbindung mit dem Unternehmer zum Erliegen gekommen ist. Dafür genügt es aber noch nicht, dass ein früherer Kunde lediglich längere Zeit keine Bestellung aufgegeben hat, etwa wegen der für den Geschäftsgang typischen längeren Bestellintervalle. Entscheidend ist, ob die Geschäftsverbindung abgebrochen worden und aufgrund der Initiative des Handelsvertreters oder zumindest durch sein Mitwirken wieder aufgenommen wurde“ (OGH 20.2.2003, 6 Ob 170/02x).
Welche Rolle für den Ausgleichsanspruch spielt die anonyme Kundschaft?
Bei Tankstellenpächtern ist die Frage, in welchem Ausmaß die Kunden als Neukunden anzusehen sind, selten leicht zu beantworten. Ein Problem liegt häufig darin, dass die Kunden anonym bleiben. Besonders relevant wird dies beim Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers: Ein Vertragshändler (viele Tankstellenpächter sind hinsichtlich des Shops keine Handelsvertreter, sondern Vertragshändler) muss für eine analoge Anwendung des Ausgleichsanspruchs nicht nur das Zuführen neuer Kunden nachweisen. Vielmehr muss er auch die Überlassung des Kundenstammes darlegen. Nun hat der OGH dazu die folgende Rechtsansicht vertreten:
- Die Überlassung des Kundenstamms erfordere nur ein „faktisches“ Übergehen der geworbenen Kunden auf den Nachfolger oder Lieferanten des Vertragshändlers.
- Dabei stehe die Anonymität der Kunden dem Ausgleichsanspruch nicht entgegen.
- Dass eine Überbindung unbekannter Personen nicht möglich sei, sei als Argument verfehlt.
- Und dies gelte (ebenso wie beim Tankstellengeschäft) auch für das Shop-Geschäft (OGH 30.8.2006, 7 Ob 122/06a; anders hingegen der deutsche BGH, Urt. v. 5.2.2015, Az. VII ZR 109/13, Rn. 23 ff., für den Fall eines Franchisenehmers).
Diese Rechtsansicht des OGH lässt sich auf die Frage übertragen, in welchem Ausmaß neue Kunden tatsächlich zugeführt wurden. Und diese Frage stellt sich beim Vertragshändler und beim Handelsvertreter in gleicher Weise.
Inhaltlich mag diese Rechtsansicht trivial wirken, in ihren praktischen Konsequenzen ist sie jedoch bemerkenswert:
- Denn ein „faktisches“ Zuführen neuer Kunden wird in der Regel nicht ohne Weiteres feststellbar sein. Für den „faktischen“ Übergang des Kundenstammes eines Vertragshändlers auf seinen Nachfolger oder Vertragspartner (Lieferanten) gilt dasselbe.
- Daran knüft nun eine Befürchtung von Nocker an. Ihr zufolge führe diese Rechtsansicht des OGH bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen zu folgendem unvertretbaren Ergebnis:
- Der Vertragshändler (bzw. Handelsvertreter) müsse nicht mehr nachweisen, dem Lieferanten (bzw. Unternehmer) neue Stammkunden überhaupt zugeführt zu haben (Nocker, Handelsvertretergesetz 1993², § 24 Rz 144 [zum Vertragshändler] bzw. Rz 175 ff [zum Handelsvertreter]).
- Vielmehr werde das Zuführen neuer Kunden und damit die zentrale Anspruchsvoraussetzung des Ausgleichsanspruchs nunmehr als „faktischer“ Übergang von Stammkunden vermutet.
- Überzeugen könne dieses Ergebnis und somit auch die genannte Entscheidung des OGH (7 Ob 122/06a) dann aber nicht.
Nocker ist in einem Punkt beizupflichten. Es ist unbillig, den Handelsvertreter aufgrund der Anonymität seiner Kunden von der Beweispflicht für die Tatbestandsmerkmale des Ausgleichsanspruchs zu entbinden.
Allerdings ergibt sich dieses unbillige Ergebnis aus der genannten Entscheidung (OGH 30.8.2006, 7 Ob 122/06a) nicht zwangsläufig: Denn ob der Handelsvertreter tatsächlich neue Kunden zugeführt hat (Anspruchsvoraussetzung), bleibt reine Tatfrage: Dazu sind Beweise aufzunehmen und zu würdigen und Feststellungen zu treffen. Die Beweislast trifft dabei den Handelsvertreter. Kennt ein Handelsvertreter seine Kunden nicht namentlich, dann wird dieser Beweis erschwert. Er bleibt aber möglich und unterliegt der freien Beweiswürdigung. Man denke etwa an Kundenumfragen, Sachverständigengutachten, statistische Erhebungen, etc.
Diese Überlegung führt zum folgenden Ergebnis. Zwar erschwert eine anonyme Kundschaft dem Handelsvertreter den Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des Ausgleichsanspruchs. Aber sie bedeutet nicht, dass dieser Nachweis nicht mehr erbracht werden müsste oder könnte.
Kausalität für die Zuführung der Kunden durch den Handelsvertreter
Der Handelsvertreter muss für die Zuführung der neuen Kunden kausal sein. Dabei genügt es aber, dass der Handelsvertreter mitursächlich war (RIS-Justiz RS0109607).
Geschäfte, die nur aufgrund der starken Marke („Sogwirkung) oder Bewerbung durch den Unternehmer zustande kamen, zählen deshalb auch. Der Maßstab, der hier von den Gerichten angelegt wird, ist sehr gering. Beim Tankstellenpächter genügt es für die Mitursächlichkeit etwa schon, wenn er seine Tankstelle geöffnet hält (OGH 28.3.2002, 8 ObA 299/01f).
Wesentliche Erweiterung bereits bestehender Geschäftsverbindungen durch den Handelsvertreter
Neben den neu gewonnenen Kunden sind auch wesentliche Erweiterungen bereits bestehender Geschäftsverbindungen ausgleichspflichtig. Dabei geht es um Kunden, deren Bestellvolumen derart zugenommen hat, dass die Vorteile des Unternehmers vergleichbar sind.
Bei einer Umsatzverdoppelung wird dies in jedem Fall anzunehmen sein (RIS-Justiz RS0117344). Allerdings ist eine ausgleichsrelevante Erweiterung einer bereits bestehenden Geschäftsverbindung auch bei einem geringeren Ausmaß der Umsatzsteigerung nicht auszuschließen:
„Nicht zu teilen ist auch die Auffassung des Berufungsgerichtes, dass bei der Frage der wesentlichen Umsatzsteigerung bei Altkunden eine starre Grenze von 100 % zu beachten sei. Nach einhelliger Ansicht ist die Umsatzverdoppelung lediglich ein Richtwert, wobei geringfügige Unterschreitungen keine Rolle spielen. Je nach Sachverhalt wird sogar auch eine wesentlich geringere Umsatzausweitung als ausreichend angesehen [es folgen Nachweise aus der Literatur]“ (OGH 20.2.2003, 6 Ob 170/02x).
Stammkunden als 2. Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters
Nachhaltigkeit der Umsatzsteigerung
Es reicht nicht, neue Kunden zu werben. Damit neue Kunden zu einem Ausgleichsanspruch führen, müssen sie auch zu Stammkunden werden.
Denn nur von Stammkunden ist „zu erwarten (…), dass der Unternehmer (…) aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann“.
Und das ist die in § 24 Abs 1 Z 2 HVertrG genannte Voraussetzung (siehe das Zitat oben).
Der Ausgleichsanspruch honoriert somit die konkrete Aussicht auf weitere Geschäftsschlüsse innerhalb eines überschaubaren Zeitraums (RIS-Justiz RS0124681). In der Regel genügt es, wenn ein neuer Kunde eine zweite Bestellung abgibt, um ihn als Stammkunden zu werten (so der deutsche BGH 26.2.1997, VIII ZR 272/95, Rn. 18 ff).
Für einen Ausgleichsanspruch reicht es also nicht, dass der Handelsvertreter die Umsätze des Unternehmers gesteigert hat. Er muss vielmehr darlegen, dass die Umsatzsteigerung aus Sicht des Unternehmers nachhaltig ist. Dass sie also über das Ende des Handelsvertretervertrages hinweg andauern wird. Dies, weil die neu zugeführten Kunden oder intensivierten Altkunden Stammkunden sind.
Bei Vertragsende bereits wieder abgewanderte Stammkunden des Unternehmers, die der Handelsvertreter neu akquiriert hat, zählen nicht. Denn aus nicht mehr bestehenden Geschäftsverbindungen wird der Unternehmer auch keine Vorteile mehr ziehen können. Das aber verlangt § 24 Abs 1 Z 2 HVertrG.
Beweislast für das Zuführen neuer Stammkunden durch den Handelsvertreter
Die Beweislast dafür, dass ein neuer Stammkunde zugeführt wurde, trägt der Handelsvertreter (RIS-Justiz RS0106003).
Wenn dieser Beweis erst einmal gelungen ist, ist aber der Unternehmer am Zug. Denn zugunsten des Handelsvertreters wird vermutet, dass die von ihm geschaffenen Geschäftsverbindungen zunächst einmal fortbestehen. Vermutet wird also, dass der Unternehmer aus ihnen Vorteile ziehen wird können.
Es liegt daher am Unternehmer, diese Vermutung zu widerlegen. Er muss behaupten und beweisen, dass diese Vorteile mit Ende des Handelsvertreterverhältnisses wieder wegfallen (RIS-Justiz RS0106003).
Diese Vermutung zugunsten des Handelsvertreters gilt in bestimmten Konstellationen aber nicht. Etwa wenn der Handelsvertreter erwiesenermaßen gezielt Kunden des Unternehmers abwirbt, sobald der Handelsvertretervertrag geendet hat.
Fortbestandsprognose der "erheblichen Vorteile" - Prognosezeitraum als wesentlicher Parameter für die Höhe des Ausgleichsanspruchs
Wie lange und in welcher Intensität wird nun der Unternehmer aus diesen Geschäftsverbindungen erhebliche Vorteile ziehen können? Darüber wird eine sog. Fortbestandsprognose vorgenommen.
Ein entscheidender Parameter im Zuge dieser Fortbestandsprognose ist die Länge des Prognosezeitraums:
„Dem herangezogenen Prognosezeitraum kommt größte Bedeutung zu, ist doch der Ausgleichsanspruch umso höher, je länger der Zeitraum gewählt wird. Der Prognosezeitraum bestimmt sich danach, wie lange sich die vom Handelsvertreter hergestellten Geschäftsverbindungen weiterentwickelt hätten, wenn der Vertretervertrag fortbestanden hätte. Es muss sich um einen überschaubaren, in seiner Entwicklung einschätzbaren Zeitraum handeln.“ (RIS-Justiz RS0121118).
Im Ergebnis wird für jedes in den Prognosezeitraum fallende Jahr ein Ausgleich gewährt. Dabei sinkt der für ein Jahr angenommene Ausgleich aufgrund der unterstellten kontinuierlichen Abwanderung der Stammkunden jährlich.
Die Provisionsverluste des Handelsvertreters während des Prognosezeitraumes bilden die Berechnungsgrundlage für den Ausgleichsanspruch.
Der Zeitraum für diese Prognose liegt meist zwischen drei und fünf Jahren. Bei der Bemessung wird der fiktive Weiterbestand der Kundenbeziehungen geprüft. Wie lange hätte die Geschäftsverbindungen mit den ausgleichsrelevanten Kunden ohne Vertragsbeendigung weiterbestanden?
Nach der in Österreich herrschenden Auffassung (OGH 9.8.2006, 4 Ob 65/06x) sagen weder die langjährige Vertretungstätigkeit noch die Langlebigkeit der Wirtschaftsgüter etwas über die Beständigkeit von Kundenbeziehungen aus. Deshalb seien die genannten Parameter für die Länge des Prognosezeitraums unbeachtlich. Zu beurteilen sei vielmehr, mit welcher Regelmäßigkeit der Handelsvertreter mit den relevanten Kunden vor Vertragsbeendigung Umsätze erzielt habe. Je mehr solche relevante Kunden vorhanden sind, desto länger werde der Prognosezeitraum sein.
Billigkeit als 3. Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters
Billigkeitsabschlag vom errechneten Ausgleichsanspruch
Ein Ausgleich steht nur zu, soweit die Zahlung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht (§ 24 Abs 1 Z 3 HVertrG).
Mit diesem Verweis auf die „Billigkeit“ wird dem Rechtsanwender ermöglicht, jeden Einzelfall für sich gesondert zu betrachten. Alle Umstände des Einzelfalls sollen bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs Berücksichtigung finden.
Freilich bringt das Billigkeitskriterium auch ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit mit sich.
In der Praxis führt § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG meist zu einem Billigkeitsabschlag. Der an den Handelsvertreter zu leistende Ausgleich wird also reduziert.
Zur Sogwirkung einer Marke bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs
Bei der Einbeziehung der Billigkeit von großer Bedeutung ist regelmäßig die vom Unternehmer behauptete Sogwirkung der Marke:
Der Unternehmer argumentiert dabei, dass sich die Anstrengungen des Handelsvertreters bei der Gewinnung der Kunden ohnehin in Grenzen gehalten hätten. Die Verdienstlichkeit des Handelsvertreters sei somit gering gewesen. Vielmehr würde die Gewinnung neuer Kunden vor allem auf der Bekanntheit und Wertschätzung der Marke des Unternehmers beruhen. Der errechnete Ausgleichsanspruch sei deshalb zu kürzen.
Vor allem bei Vertragshändlerverhältnissen spielt dieses Argument häufig eine große Rolle.
Die Sogwirkung einer Marke beruht häufig auf großen Werbeanstrengungen des Herstellers oder Importeurs, von denen der Handelsvertreter profitiert. Der Aufbau einer bekannten und wertgeschätzten Marke durch einen Handelsvertreter allein ist hingegen praktisch unmöglich. Dadurch erleichtert der Unternehmer dem Handelsvertreter sein Geschäft ganz erheblich. Bei manchen Marken oder Branchen treten die Verkaufsanstrengungen des Handelsvertreters im Vergleich zur Sogwirkung in den Hintergrund. Man denke etwa an Premium-Kfz-Marken (dies betrifft freilich Vertragshändler, nicht Handelsvertreter).
Die Sogwirkung der Marke mag im Einzelfall sehr weit gehen. Womöglich kann der Handelsvertreter überhaupt nur mehr in äußerst geringem Maße als für die Neugewinnung des Kunden ursächlich angesehen werden. Das ändert freilich nichts daran, dass auch solche unter kräftiger „Mithilfe“ der Marke eroberten Kunden als vom Handelsvertreter zugeführt im Sinne des § 24 Abs 1 Z 1 HVertrG gelten, schließlich reicht dafür – wie schon oben dargelegt – nach völlig herrschender Ansicht eine Mitursächlichkeit aus (RIS-Justiz RS0109607).
Eine Sogwirkung der Marke spielt daher nicht schon bei der Prüfung des 1. und 2. Tatbestandsmerkmals eine Rolle, obwohl gerade das „soweit“ im Eingangssatz des oben zitierten § 24 Abs 1 HVertrG („wenn und soweit“) dies nahelegen könnte.
Vielmehr wird eine Sogwirkung der Marke erst im Rahmen der Billigkeitskorrektur (3. Tatbestandsmerkmal) relevant: Im Zuge dessen reduzieren die Gerichte in aller Regel den errechneten Betrag um einen bestimmten Prozentsatz („Billigkeitsabschlag“: RIS-Justiz RS0116277).
Eine objektive Einschätzung der Höhe dieses Abschlags ist freilich nicht möglich. Zu schwierig ist es, den Beitrag der Sogwirkung der Marke dem Beitrag des Handelsvertreters gegenüber zu stellen. Es ist und bleibt eine Billigkeitsentscheidung. Und Billigkeitsentscheidungen bringen naturgemäß ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit mit sich. Bezeichnend ist etwa das unverblümte Eingeständnis des OGH (OGH 9.4.2002, 4 Ob 54/02y):
„Insgesamt gestaltet sich die Bestimmung der Höhe der nach Billigkeit gebührenden Ausgleichszahlung sehr schwierig.“
Die Provisionsverluste des Handelsvertreters als Bemessungsgrundlage für den Ausgleichsanspruch
Neben dem pauschalen Verweis auf die Billigkeit weist das Tatbestandsmerkmal der Ziffer 3 (vgl. § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG) aber auch bereits den Weg, worauf bei der Beantwortung der Frage nach der Billigkeit das Hauptaugenmerk zu richten ist: Denn offenbar soll den Provisionsverlusten des Handelsvertreters bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs eine überragende Bedeutung zukommen.
Die Rechtsprechung nimmt diesen Hinweis auf die Provisionsverluste ernst. Sie geht bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs von den Provisionsverlusten des Handelsvertreters im relevanten Prognosezeitraum aus.
Anhand dieser Provisionsverluste bestimmt sie dann den sogenannten Rohausgleich (näheres dazu sogleich). Vor dem Hintergrund des Wortlauts des Gesetzes ist dieser Ansatz auch konsequent. Denn der Gesetzgeber unterstellt in § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG folgende Prämisse. Recht und billig ist ein Ausgleich für neu akquirierte Stammkunden vor allem insoweit, als ihm Verluste des Handelsvertreters gegenüberstehen.
Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters - Die Praxis der Gerichte
Prognosebasis als Bemessungsgrundlage
Die Rechtsprechung verwehrt sich dagegen, starre Berechnungsformeln für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters zu definieren.
Dennoch ist anerkannt, dass die in § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG genannten Provisionsverluste als Bemessungsgrundlage dienen. Sie sind also die Prognosebasis.
Und diese Prognosebasis wird folgendermaßen errechnet:
- Zunächst werden all jene Provisionseinnahmen ermittelt, die der Handelsvertreter in den letzten 12 Monaten vor Ende des Vertragsverhältnisses (das ist das „Basisjahr“) mit neu akquirierten Stammkunden oder intensivierten Altstammkunden erwirtschaftet hat (RIS-Justiz RS0121117).
- Wirtschaftsgüter, die in der Regel nicht jedes Jahr nachbestellt werden, gelten als „langlebige Wirtschaftsgüter“. Zu diesen wird zum Teil ein abweichender Zugang vertreten: Zur Vermeidung von Zufallsergebnissen sei nicht ausschließlich das letzte Jahr heranzuziehen. Vielmehr seien nach Betrachtung mehrerer Vertragsjahre die Provisionseinnahmen eines durchschnittlichen Vertragsjahres zu ermitteln.
- Letzteres ist problematisch. Denn gerade das letzte Vertragsjahr hat die stärkste Indizwirkung für das Ausmaß der dem Unternehmer nach Vertragsende verbleibenden Vorteile. Häufig lässt gegen Ende des Vertragsverhältnisses die Loyalität des Handelsvertreters nach. Für mehrere Hersteller tätige Vertriebsmittler beginnen, die Produkte jenes Herstellers, mit dem die Vertragsbeziehung bald enden wird, weniger offensiv anzupreisen. Wenn die Verkaufsergebnisse des letzten Jahres schwächer sind als jene der Vorjahre, liegt darin gerade kein Zufallsergebnis. Vielmehr wird dies als Konsequenz der im letzten Jahr nachlassenden Verkaufsbemühungen des Handelsvertreters zu deuten sein. Und diese Entwicklung reduziert dann selbstverständlich die auf Seiten des Unternehmers verbleibenden Vorteile und somit auch den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters.
- Bei der Ermittlung der Provisionseinnahmen sind auch Sondervergütungen zu berücksichtigen, die auf der Vermittlungstätigkeit des Handelsvertreters beruhen (RIS-Justiz RS0116277 und RS0114266).
- Abzuziehen sind hingegen Provisionen, die für bloß verwaltende Tätigkeiten des Handelsvertreters entfallen. Denn diesen liegt keine Schaffung eines Kundenstamms zugrunde (RIS-Justiz RS0121117).
Abwanderungsquote und Prognosezeitraum als entscheidende Parameter für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters
Sobald diese Prognosebasis (relevante Provisionsverluste, die auf das Basisjahr entfallen) der Höhe nach feststeht, folgt der zweite Schritt:
- Geschätzt wird eine jährliche Stammkunden-Abwanderungsquote.
- Auf deren Grundlage werden dann jene Provisionsverluste errechnet (geschätzt), die auf die im Prognosezeitraum enthaltenen Jahre entfallen.
- Die Summe dieser Provisionsverluste für jedes einzelne im Prognosezeitraum enthaltene Jahr ist anschließend auf den Barwert abzuzinsen.
- Das Ergebnis ist der sogenannte „Rohausgleich“ (RIS-Justiz RS0121117).
Dabei wird deutlich, welch überragende Bedeutung der herangezogenen Länge des Prognosezeitraums und der unterstellten Abwanderungsquote zukommt!
Billigkeitskorrektur des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters
Anschließend ist eine Billigkeitskorrektur vorzunehmen. In der Regel kommt es zu einem Abschlag.
U.a. ist dabei auch eine allfällige Sogwirkung der Marke zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0116277). Dies ist oben näher beschrieben.
Für die Sogwirkung der Marke VOLVO hat der deutsche Bundesgerichtshof etwa einen Billigkeitsabschlag von 25% für angemessen erachtet (BGH 13.7.2011, VIII ZR 17/09, Rn 29).
Die Höchstgrenze für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters
Am Rohausgleich haben wir nun die von § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG geforderte Billigkeitskorrektur vorgenommen.
In einem letzten Schritt ist der so ermittelte Betrag dann der Höchstgrenze des § 24 Abs 4 HVertrG gegenüberzustellen:
Ausgleichsanspruch
§ 24. (1) …
(2) …
(3) …
(4) Der Ausgleichsanspruch beträgt mangels einer für den Handelsvertreter günstigeren Vereinbarung höchstens eine Jahresvergütung, die aus dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre errechnet wird. Hat das Vertragsverhältnis weniger als fünf Jahre gedauert, so ist der Durchschnitt der gesamten Vertragsdauer maßgeblich.
Darin liegt eine Obergrenze für den zu bezahlenden Ausgleich. Hingegen ist diese Grenze weder Bemessungsgrundlage noch Berechnungsgröße (RIS-Justiz RS0114585). Sie ist daher weder einem Billigkeitsabschlag zu unterziehen noch abzuzinsen.
Die Rolle des Höchstbetrages beschränkt sich also auf den folgenden Schritt. Der nach den oben beschriebenen Grundsätzen errechnete Ausgleichsanspruch wird dem Höchstbetrag gegenübergestellt. Wenn er diesen übersteigt, dann wird er auf den Höchstbetrag reduziert.
Der Höchstbetrag des § 24 Abs 4 HVertrG beläuft sich auf die durchschnittliche Jahresvergütung der letzten fünf Vertragsjahre. Der Begriff der Jahresvergütung ist dabei sehr weit zu verstehen. So werden sämtliche Provisionsarten umfasst, und zwar unabhängig davon, ob sie aus Geschäften mit Stammkundschaft oder Laufkundschaft resultieren. Nur reine Aufwandsentschädigungen sind nicht zu berücksichtigen.
Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters ist zwingend!
Der Ausgleichsanspruch kann im Voraus zum Nachteil des Handelsvertreters weder aufgehoben noch beschränkt werden (§ 27 Abs 1 HVertrG).
„Im Voraus“ bedeutet vor Vertragsende!
Der Handelsvertreter muss den Ausgleichsanspruch rechtzeitig geltend machen!
Dauer der Verfallsfrist
Der Ausgleichsanspruch ist innerhalb einer Verfallsfrist geltend zu machen (§ 24 Abs 5 HVertrG). Die Verfallsfrist beträgt ein Jahr.
Ausgleichsanspruch
§ 24. (1) …
(2) …
(3) …
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(5) Der Handelsvertreter verliert den Ausgleichsanspruch, wenn er dem Unternehmer nicht innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mitgeteilt hat, daß er seine Rechte geltend macht.
Es handelt sich um eine materielle Ausschlussfrist (Präklusivfrist). Bei nicht rechtzeitiger Geltendmachung erlischt der Ausgleichsanspruch daher endgültig.
Eine Verkürzung der Verfallsfrist ist nicht zulässig (§ 27 HVertrG).
Beginn der Verfallsfrist für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters
Die Verfallsfrist beginnt mit dem Ende des Handelsvertretervertrages zu laufen (OGH 30.9.2009, 9 ObA 91/08k). Das ist
- der letzte Tag eines befristeten Handelsvertretervertrages,
- jener Tag, an dem bei einer einvernehmlichen Vertragsauflösung das Vertragsverhältnis enden soll,
- der letzte Tag der Kündigungsfrist bzw.
- der Tag des Zugangs der Erklärung über die Auflösung aus wichtigen Grund (vgl. Nocker, Handelsvertretergesetz² § 24 Rz 794).
Besondere Beachtung verdient eine Kündigung, welche die geltenden Kündigungsfristen oder -termine nicht einhält. In einem solchen Fall hat die andere Vertragspartei nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 23 Abs 1 HVertrG ein Wahlrecht. Sie kann entweder auf der Erfüllung des Vertrages bestehen oder die zeitwidrige Kündigung akzeptieren und Schadenersatz begehren. Wer sich dabei für die zweite Alternative entscheidet, muss den Lauf der Verfallsfrist beachten. Die Verfallsfrist beginnt dann nämlich bereits mit dem ursprünglich fristwidrigen und anschließend akzeptierten Kündigungstermin zu laufen.
Verfall auch nach Anerkenntnis des Ausgleichsanspruchs durch den Unternehmer?
Wenn der Unternehmer den Ausgleichsanspruch dem Grunde nach anerkannt hat, muss er nicht mehr gesondert geltend gemacht werden. Ein Verfall ist dann vielmehr ausgeschlossen.
Und wenn der Handelsvertreter unter dem Titel „Ausgleichsanspruch“ eine geringe Zahlung erhalten hat? Dann muss er einen darüber hinaus beanspruchten Mehrbetrages innerhalb der Verfallsfrist anmelden. Sonst verfällt der Mehrbetrag.
Form der Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters
Das Gesetz schreibt keine bestimmte Form für die Geltendmachung vor.
Auch der OGH hat mittlerweile bestätigt, dass sowohl eine mündliche als auch eine schriftliche Anmeldung möglich sind (OGH 30.9.2009, 9 ObA 91/08k). Insbesondere nicht notwendig ist eine gerichtliche Geltendmachung.
Wie bei allen empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist entscheidend, dass der Zugang der Erklärung innerhalb der Verfallsfrist erfolgt.
Keine Bezifferung des Ausgleichsanspruchs durch den Handelsvertreter notwendig
Ebenfalls bestätigt hat der OGH in der bereits genannten Entscheidung (OGH 30.9.2009, 9 ObA 91/08k) Folgendes: Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters muss im Zuge der Geltendmachung vor Ablauf der Verfallsfrist nicht beziffert werden. Und zwar auch nicht ungefähr. Schließlich kann der Unternehmer in der Regel selbst abschätzen, mit welcher Forderung er rechnen muss. Es reicht somit die formlose Mitteilung des Handelsvertreters an den Unternehmer, dass er einen Ausgleichsanspruch geltend macht.
Beachten sollte man aber, dass eine verfrühte Bezifferung böse Folgen haben kann: Wenn der Ausgleichsanspruch nämlich innerhalb der Verfallsfrist vom Handelsvertreter konkret beziffert wurde, dann kann er nach Ablauf der Verfallsfrist keinen höheren Anspruch mehr geltend machen (OGH 24.2.2010, 3 Ob 212/09m, im letzten Absatz VII.).
Vorsicht: Verfall ≠ Verjährung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters
Die formlose Anmeldung des Ausgleichsanspruch innerhalb eines Jahres ab Ende des Handelsvertreterverhältnisses verhindert den Verfall.
Daneben ist selbstverständlich auch die Verjährung des Anspruchs zu beachten: Der Ausgleichsanspruch verjährt nach drei Jahren (§ 18 Abs 1 HVertrG).
Der Beginn der Verjährungsfrist eines Anspruchs richtet sich üblicherweise nach der Fälligkeit des Anspruchs. Die Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs hängt aber davon ab, wann der Handelsvertreter diesen fällig stellt. Somit könnte der Handelsvertreter durch Zuwarten Fälligkeit und Verjährung verzögern. Die Verjährung beginnt daher mit der erstmaligen objektiven Möglichkeit des Handelsvertreters zur Rechnungslegung (so Nocker, Handelsvertretergesetz² § 24 Rz 821, unter Verweis auf M. Bydlinski in Rummel, ABGB II³, § 1502 Rz 1).
Zu dieser erstmaligen objektiven Möglichkeit der Rechnungslegung verweist Nocker auf die letzte Abrechnung des Unternehmers. Denn auf diese ist der Handelsvertreter zur Errechnung seines Ausgleichsanspruchs angewiesen. Nach Zugang dieser letzten Abrechnung sei dem Handelsvertreter noch eine angemessene Frist zuzugestehen. Nach dem Ablauf dieser Frist beginne dann aber die Verjährungsfrist zu laufen. Diese Lösung leuchtet ein. Eine verlässliche Empfehlung lässt sich daraus aber nicht ableiten, zumal es insoweit an höchstgerichtlicher Judikatur fehlt.
Der vorsichtige Handelsvertreter (Rechtsanwalt) wird den Ausgleichsanspruch daher innerhalb eines Jahres ab Vertragsende dem Grunde nach anmelden. Und er wird ihn innerhalb von drei Jahren ab Vertragsende gerichtlich und der Höhe nach bestimmt geltend machen. Einer Verjährungseinrede ist damit jeder Boden entzogen.
Die Verjährung eines Anspruchs des Handelsvertreters ist gehemmt, solange der Unternehmer auf die Anmeldung des Anspruchs durch den Handelsvertreter nicht antwortet (18 Abs 3 HVertrG). Die Reaktionszeit des Unternehmers auf die Mitteilung des Handelsvertreters kann zu diesen drei Jahren daher hinzugerechnet werden.
Diese Fälle vernichten den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters
24 Abs 3 HVertrG zählt jene Fälle auf, in denen einem Handelsvertreter trotz Vertragsendes ein Ausgleichsanspruch in keinem Fall zusteht.
Ausgleichsanspruch
§ 24. (1) …
(2) …
(3) Der Anspruch besteht nicht, wenn
- der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat, es sei denn, daß dem Unternehmer zurechenbare Umstände, auch wenn sie keinen wichtigen Grund nach § 22 darstellen, hiezu begründeten Anlaß gegeben haben oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit oder Gebrechen nicht zugemutet werden kann, oder
- der Unternehmer das Vertragsverhältnis wegen eines schuldhaften, einen wichtigen Grund nach § 22 darstellenden Verhaltens des Handelsvertreters gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat oder
- der Handelsvertreter gemäß einer aus Anlaß der Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffenen Vereinbarung mit dem Unternehmer, die Rechte und Pflichten, die er nach dem Vertrag hat, einem Dritten überbindet.
Schon vor der Vertragsbeendigung ist daher stets Folgendes zu prüfen: Kann der Unternehmer einen dieser Gründe ins Treffen führen?
Der analoge Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers
Sie interessieren sich gar nicht für den Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters, sondern für den Ausgleichsanspruch eines Vertragshändlers?