Pension des Handelsvertreters

Pension des Handelsvertreters und dessen Ausgleichsanspruch

Handelsvertreter und Vertragshändler: Ausgleichsanspruch zur Pension?

Wenn ein Handelsvertreter in Pension (in Rente) gehen möchte, stellt sich die Frage nach dem Ausgleichsanspruch. Kann er selbst kündigen, ohne den Ausgleichsanspruch zu verlieren?

Für den Vertragshändler stellt sich dieselbe Frage. Dieser Beitrag gilt somit für den Ausgleichsanspruch eines Vertragshändlers gleichermaßen.

Pension und Ausgleichsanspruch - Wann haben Handelsvertreter und Vertragshändler ein Recht auf Kündigung?

Pension des Handelsvertreters als Vertragsbeendigung

Der Begriff der „Pensionierung“ ist dem Vertriebsrecht und allgemeinen Vertragsrecht fremd. Aus vertriebsrechtlicher Sicht geht es um die Beendigung des Vertriebsvertrages, dies freilich im Hinblick auf den unmittelbar bevorstehenden Bezug einer Pension (Rente) durch den Handelsvertreter.

Und eine solche Beendigung des Vertriebsvertrages kann – wie jede Beendigung – auf verschiedene Arten erfolgen:

Kündigung durch den Unternehmer: Pension und Ausgleichsanspruch

Wenn der Unternehmer den Handelsvertretervertrag im Hinblick auf die Pension des Handelsvertreters kündigt, dann bleibt der Anspruch auf einen Ausgleichsanspruch dem Grunde nach gewahrt. Das ist eine Selbstverständlichkeit, weil bei einer Kündigung durch den Unternehmer (ohne Verschulden) bekanntlich immer der Fall.

Insofern spielt die Pensionierung in diesem Fall keine besondere Rolle.

Einvernehmliche Auflösung: Pension und Ausgleichsanspruch

Dasselbe gilt, wenn der Handelsvertreter und der Unternehmer den Vertrag anlässlich der bevorstehenden Pensionierung einvernehmlich auflösen. Der Handelsvertreter hat in diesem Fall – wie bei jeder einvernehmlichen Auflösung – zumindest dem Grunde nach einen Ausgleichsanspruch.

Auch hier kommt dem Umstand, dass der Handelsvertreter in Pension geht, keine besondere Bedeutung zu.

Pension: Und kann der Handelsvertreter auch selbst mit Ausgleichsanspruch kündigen?

§ 24 Abs 3 Handelsvertretergesetz bietet zudem auch dem alternden Handelsvertreter selbst eine einseitige „ausgleichswahrende“ Beendigungsmöglichkeit: Wenn der Handelsvertreter den Vertrag kündigt oder vorzeitig auflöst, dann entfällt der Ausgleichsanspruch, „es sei denn, dass dem Unternehmer zurechenbare Umstände, auch wenn sie keinen wichtigen Grund nach § 22 darstellen, hiezu begründeten Anlass gegeben haben oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit oder Gebrechen nicht zugemutet werden kann.

Womöglich kann der Handelsvertreter unter Berufung auf diese Bestimmung den Handelsvertretervertrag anlässlich seiner bevorstehenden Pension „ausgleichswahrend“ kündigen. „Ausgleichswahrend“ deshalb, weil er seinen Ausgleichsanspruch dem Grunde nach nicht verliert.

Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters in der Pension - trotz Eigenkündigung möglich. Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Tätigkeit.

Aber wann ist eine solche Kündigung möglich?

Diese Regelung knüpft nicht an das Erreichen eines bestimmten Alters oder an die tatsächliche Inanspruchnahme einer Pension an.

Entscheidendes Kriterium ist vielmehr die konkret im Einzelfall vorliegende

  • Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Tätigkeit
  • wegen des Alters des Handelsvertreters.

In jedem Fall notwendig für einen Ausgleichsanspruch trotz einer Eigenkündigung wegen der bevorstehenden Pension ist daher ein höheres Alter. Das liegt in der Natur einer altersbedingten Kündigung. Dieses Alter muss aber nicht unbedingt das gesetzliche Pensionsantrittsalter sein, sondern kann auch darunter liegen (OGH 16.9.2011, 9 ObA 105/10x).

Das höhere Alter ist notwendig, jedoch nicht hinreichend. Gleichzeitig vorliegen muss die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Tätigkeit:

  • Einerseits ist es daher möglich, dass schon vor Erreichen des Pensionsantrittsalters eine Kündigung des Handelsvertreters unter Wahrung des Ausgleichsanspruches in Frage kommt.
  • Andererseits ist auch ein Szenario denkbar, in dem die Fortsetzung der Tätigkeit trotz Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters noch zumutbar ist. Eine Kündigung durch den Handelsvertreter vernichtet dann seinen Ausgleichsanspruch. Somit begründet das bloße Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters bzw. eines bestimmten „höheren Alters“ nicht automatisch das Recht, „ausgleichswahrend“ zu kündigen.

Aber: Gesetzliches Pensionsantrittsalter hat Indizwirkung

Freilich wird das Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters dennoch eine gewisse Indizwirkung für das Vorliegen der Unzumutbarkeit entfalten. Denn wenn der Gesetzgeber ein bestimmtes Alter als Pensionsantrittsalter festgelegt hat, dann kann dem eine gewisse Wertung entnommen werden. Offenbar ist es zumindest nach Auffassung des Gesetzgebers ab Erreichen dieses Alters in der Regel nicht mehr zumutbar, zu arbeiten. Es wird daher Sache des Unternehmers sein, das Gegenteil darzulegen.

Mehr als eine bloße Indizwirkung kann das Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters aber nicht haben. Denn dieser Wertung des Gesetzgebers liegt ein objektiver Ansatz zugrunde. Und deshalb ist das gesetzliche Pensionsantrittsalter – zumindest innerhalb des Geschlechts – auch für alle gleich. Hingegen ist bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Handelsvertreterverhältnisses ein subjektiver Maßstab anzulegen. So die höchstgerichtliche Rechtsprechung (OGH 26.5.2004, 9 ObA 2/04s). Es geht um das konkrete Handelsvertreterverhältnis und die konkrete Tätigkeit des Handelsvertreters (Anzahl der Kunden, Größe des Gebietes, Ausmaß an Reisetätigkeit, etc.).

Insbesondere keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieser Kündigungsmöglichkeit durch den Handelsvertreter ist ein Pensionsanspruch, ein Pensionsantrag oder ein Pensionsbescheid (OGH 16.9.2011, 9 ObA 105/10x). Zwar wurde die Entscheidung des OGH vom 26.5.2004, 9 ObA 2/04s, zum Teil dahingehend ausgelegt, dass der Anspruch des Handelsvertreters auf eine vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer bereits für sich betrachtet das Bestehen eines Ausgleichsanspruch trotz Kündigung durch den Handelsvertreter begründe. Später hat der OGH allerdings klargestellt (OGH 16.9.2011, 9 ObA 105/10x), dass diese Ansicht auf einem Missverständnis beruhe: Ein Anspruch auf eine vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer spreche zwar dafür, dass das nötige höhere Alter erreicht sei, sei für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Fortsetzung der Tätigkeit aber nicht von Bedeutung. Das ist auch richtig. Denn wie könnte die bloße Anzahl an Versicherungsjahren – diese ist ja (abgesehen vom Alter) Voraussetzung für eine solche Pension – Einfluss auf die Beurteilung der Zumutbarkeit der Fortsetzung der Tätigkeit haben?

Und der Gesundheitszustand des in Pension gehenden Handelsvertreters?

Zu vermeiden sind bei der Prüfung des Ausgleichsanspruchs voreilige Schlüsse aus dem Gesundheitszustand des in Pension gehenden Handelsvertreters. Denn die oben zitierte Ausnahme nennt neben dem Alter des Handelsvertreters auch „Krankheit oder Gebrechen“ als Kündigungsgründe. Auch in diesen Fällen kann der Handelsvertreter kündigen, ohne den Ausgleichsanspruch zu verlieren.

Daraus folgt: Bei der Frage, ob die Fortsetzung der Tätigkeit des Handelsvertreters wegen seines Alters unzumutbar ist, kann der Gesundheitszustand nicht auch noch eine Rolle spielen. Auch einem völlig gesunden und jung gebliebenen Handelsvertreter kann die Fortsetzung der Tätigkeit wegen seines Alters unzumutbar sein. Umgekehrt wird sich ein gesundheitlich angeschlagener Handelsvertreter ohnehin (zumindest auch) auf die Kündigungsgründe Krankheit und Gebrechen stützen, um seinen schlechten Zustand im Verfahren zu verwerten.

Pension und Ausgleichsanspruch - Gesundheitszustand des Handelsvertreters bzw. Vertragshändlers ist nicht von Bedeutung.

Muss der Kündigungsgrund genannt werden?

In der vertriebsrechtlichen Literatur überwiegt die Ansicht, dass der Handelsvertreter, der altersbedingt kündigt, den Kündigungsgrund nennen muss. Andernfalls riskiert er, den Ausgleichsanspruch zu verlieren.

Der Oberste Gerichtshof ist dieser Auffassung jedoch ausdrücklich nicht gefolgt (OGH 26.5.2004, 9 ObA 2/04s). Insofern ist das Risiko für den kündigenden Handelsvertreter gering und auch ein „Nachschieben“ des Kündigunggrundes „Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Tätigkeit wegen des Alters“ denkbar.

Dennoch empfiehlt es sich, im Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund zu nennen. Dafür genügt etwa ein Hinweis darauf, dass „mir eine Fortsetzung meiner Tätigkeit wegen meines Alters nicht zugemutet werden kann.“

Kann der Handelsvertreter anlässlich der Pension auch vorzeitig auflösen anstatt zu kündigen?

§ 24 Abs 3 Z 1 Handelsvertretergesetz unterscheidet nicht zwischen der Kündigung und der vorzeitigen Auflösung. Es ist daher die Frage berechtigt, ob der in Pension gehende Handelsvertreter den Vertrag auch vorzeitig auflösen kann, ohne den Ausgleichsanspruch zu gefährden, wenn die beiden Voraussetzungen (höheres Alter und Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Tätigkeit) vorliegen. Der Hauptunterschied zur ordentlichen Kündigung liegt darin, dass eine vorzeitige Auflösung zum Entfall der Kündigungsfrist führt.

Der Wortlaut des Gesetzes (§ 24 Handelsvertretergesetz) scheint dieses Möglichkeit, anstelle der Kündigung die vorzeitige Auflösung zu wählen, nahezulegen, zumindest auf den ersten Blick:

(3) Der Anspruch besteht nicht, wenn
1. der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat, es sei denn, daß dem Unternehmer zurechenbare Umstände, auch wenn sie keinen wichtigen Grund nach § 22 darstellen, hiezu begründeten Anlaß gegeben haben oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit oder Gebrechen nicht zugemutet werden kann, oder

Abs 3 Z 1 der Bestimmung des § 24 Handelsvertretergesetz

Genaueres Hinsehen führt jedoch zu der Erkenntnis, dass die Fortsetzung seiner Tätigkeit dem Handelsvertreter zumindest während der Kündigungsfrist häufig noch zugemutet werden kann. Denn in aller Regel kommt die Unzumutbarkeit der Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters für den Handelsvertreter nicht überraschend. Deshalb wird eine vorzeitige Auflösung unter Wahrung des Ausgleichsanspruchs meist nicht in Frage kommen.

Etwas anderes wird womöglich zu gelten haben, wenn die Kündigungsfrist besonders lange ist. Das Abwarten der Kündigungsfrist ist dann womöglich unzumutbar. Das kann auch der Fall sein, wenn der Unternehmer erkennbar nur zum Abschluss von langfristig befristeten Verträgen bereit ist und der Fristablauf noch in ferner Zukunft liegt.

In jedem Fall gesondert prüfen sollte der Handelsvertreter vor Erklärung einer vorzeitigen Auflösung, ob ein „wichtiger Grund“ vorliegt. Andernfalls riskiert er, dass das Vertragsverhältnis nicht aufgelöst wird oder er Schadenersatz leisten muss. Auch das spricht aus Sicht des Handelsvertreters gegen eine vorzeitige Auflösung nur wegen des Alters und der Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Tätigkeit.

Pension und Ausgleichsanspruch: Kann auch eine Gesellschaft altersbedingt kündigen?

Die Kündigungsmöglichkeit unter Wahrung des Ausgleichsanspruchs wegen Erreichen eines bestimmten Alters (in der Regel: Pension) ist ein besonderer Vorteil von Handelsvertretern, die als Einzelunternehmer tätig sind. Denn nach herrschender Auffassung (deutsche Judikatur und Literatur; OGH-Rechtsprechung fehlt) steht diese ausgleichswahrende Kündigungsmöglichkeit einer Handelsvertretergesellschaft in aller Regel nicht zu. Wer in Form einer GmbH oder OG/KG als Handelsvertreter tätig ist, genießt zwar haftungsrechtliche und womöglich auch steuerrechtliche Vorteile. In rein vertriebsrechtlicher Hinsicht führt dies aber in aller Regel zum Entfall der ausgleichswahrenden Kündigungsmöglichkeit.

Diese Ansicht ist insofern konsequent und vom Wortlaut der oben zitierten Bestimmung des § 24 Abs 3 Z 1 Handelsvertretergesetz gedeckt, als einer Gesellschaft allein ihres Alters wegen die Fortsetzung der Tätigkeit nicht unzumutbar werden kann. Und krank oder gebrechlich kann eine Gesellschaft auch nicht werden.

Abgesehen vom Wortlaut stellt sich aber selbstverständlich die Frage einer möglichen Analogie. Kann es für eine ausgleichswahrende Kündigung ausreichen, wenn das geforderte Alter und die geforderte Unzumutbarkeit beim Mehrheitsgesellschafter oder Geschäftsführer vorliegen? Und wenn ja: Wann ist die Position beispielsweise des Mehrheitsgesellschafters einer GmbH allein nicht mehr zumutbar? Immerhin ist ein bloßer Gesellschafter nicht verpflichtet, sich am laufenden Geschäftsbetrieb aktiv zu beteiligen.

In der deutschen Rechtsprechung wird zum Teil vertreten, dass eine solche Analogie geboten sei, wenn die persönliche Leistungserbringung des einzigen Gesellschafter-Geschäftsführers Vertragsgrundlage war. Demnach könnte auch eine Handelsvertreter-GmbH anlässlich der Pensionierung des Gesellschafter-Geschäftsführers kündigen, ohne den Ausgleichsanspruch zu verlieren. Freilich obliegt es in solchen Ausnahmefällen dem Handelsvertreter, überzeugende Gründe für die erforderliche Analogie zu liefern. Die Alternative aus Sicht des Handelsvertreter-Gesellschafters liegt häufig in der Veräußerung der Gesellschaftsanteile an einen Nachfolger. Der Veräußerungserlös ersetzt dann den Ausgleichsanspruch, der Vertriebsvertrag mit der GmbH besteht unverändert fort.

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