Bundeskartellamt: Rechtswidrige Beschränkungen des Online-Vertriebs durch ASICS Deutschland

Bundeskartellamt, Beschluss vom 26. August 2015, B2-98/11 – „Asics“

In diesem Verwaltungsverfahren hat das Bundeskartellamt Bestimmungen aus den ASICS-Händlerverträgen, die den Vertragshändlern von der deutschen Vertriebstochtergesellschaft ASICS Deutschland GmbH auferlegt worden waren, auf ihre wettbewerbsbeschränkende Wirkung hin untersucht.

Im Zuge dessen hat das Bundekartellamt zu erkennen gegeben, welche Formen der Beschränkung des Online-Vertriebs aus seiner Sicht aus welchen Gründen gegen Kartellrecht verstoßen.

 

Die beanstandeten Vertragsklauseln

Das Bundeskartellamt beanstandete die folgenden drei vertraglichen Verbote, die in den ASICS-Händlerverträgen enthalten waren, als wettbewerbsbeschränkend:

  1. Den Händlern war es verboten, einem Dritten zu erlauben, Markenzeichen von ASICS in jeglicher Form auf der Internetseite des Dritten zu verwenden, und zwar insbesondere auch, wenn dies mit dem Zweck erfolgt, Kunden auf die Internetseite des autorisierten ASICS-Händlers zu leiten. Den Händlern war es insbesondere verboten, die Marke „ASICS“ im Rahmen von Werbemaßnahmen auf Internetseiten Dritter zu verwenden oder das Suchwort „ASICS“ bei einer Suchmaschinenwerbung als Schlüsselwort (Keyword) zu nutzen.
  2. Den Händlern war es außerdem verboten, Preisvergleichsmaschinen zu unterstützen, indem sie entsprechende anwendungsspezifische Schnittstellen zur Verfügung stellen.
  3. Den Händlern war schließlich auch verboten, die Vertragsprodukte über den Internetauftritt eines Dritten, namentlich Online-Marktplätze wie etwa eBay, zu bewerben, anzubieten oder zu verkaufen, es sei denn, der Name oder das Logo der Plattform des Dritten waren nicht abgebildet oder anderweitig sichtbar.

 

Verbot der Verwendung von ASICS-Markenzeichen auf Internetseiten Dritter

Zunächst wird im Beschluss untersucht, ob die unter 1. genannte Vertragsklausel grundsätzlich wettbewerbsbeschränkend ist, also in den Anwendungsbereich des Kartellverbotes fällt.

Das Bundeskartellamt verkennt nicht, dass die Aufrechterhaltung des Fachhandels ein legitimes Ziel ist, das Wettbewerbsbeschränkungen rechtfertigen kann, allerdings ist nicht ersichtlich, wie der Fachhandel durch die Verwendung von ASICS-Markenzeichen auf Internetseiten Dritter durch autorisierte Vertragshändler Schaden nehmen könnte. Im Gegenteil, dadurch werde der Fachhandel gefördert (Beschluss, Rn. 260).

In weiterer Folge betont das Bundeskartellamt, dass ein Verbot der Verwendung von Marken auf Internetseiten, die „mit einem abträglichen negativen Image behaftet sind“, gerechtfertigt sein kann, dass dafür ein pauschales Verbot der Verwendung von ASICS-Markenzeichen auf Internetseiten Dritter nicht erforderlich sei (Beschluss, Rn. 261). Vielmehr müsste in solchen Fällen in den Händlerverträgen festgehalten werden, welchen Anforderungen eine Internetseite eines Dritten genügen müsse, um auf ihr ein Markenzeichen anbringen zu dürfen. Alles andere geht über jenes Maß hinaus, das unerlässlich ist.

Zum Schutz des Markenimages beschränkt sich das Bundeskartellamt auf einen Verweis auf den EuGH (Rs C-439/09 – „Pierre Fabre“), wonach der Schutz des Markenimages kein legitimes Ziel sei, auf das eine Ausnahme vom Verbot des Art 101 Abs 1 AEUV gestützt werden könne (Beschluss, Rn. 262). Diese Interpretation dieser EuGH-Entscheidung ist zwar wohl überschießend (dazu an anderer Stelle), allerdings ist auch nicht ersichtlich, weshalb das Markenimage beeinträchtigt werden könnte, wenn ASICS-Markenzeichen auf Internetseiten Dritter abgebildet sind. Auch hier wird das konkrete Image dieser Internetseite eine erheblich größere Rolle spielen als der Umstand für sich allein, dass ein ASICS-Markenzeichen auf einer Internetseite eines Dritten zu finden ist. Auch insofern ist daher ein pauschales Verbot überschießend, weil nicht unerlässlich. Im Ergebnis ist die Rechtsansicht des Bundeskartellamtes zu dieser Vertragsbestimmung daher zutreffend: Sie fällt in den Anwendungsbereich des Art 101 Abs 1 AEUV.

Daraufhin untersuchte das Bundeskartellamt, ob eine Freistellung nach den Bestimmungen der Vertikal-GVO Nr. 330/2010 möglich war, kam allerdings zu dem Schluss, dass diese Vertragsbestimmung unter die Kernbeschränkung des Art 4 lit c) zu subsumieren sei. Unter diese Kernbeschränkung fallen Vereinbarungen, die eine Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher durch auf der Einzelhandelsstufe tätige Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems bezwecken. Dass das in Rede stehende Verbot, die ASICS-Markenzeichen auf Internetseiten Dritter zu verwenden, um die Besucher auf die eigene Website zu leiten, eine Kernbeschränkung darstellt, liegt schon daran, dass damit das Äquivalenzprinzip (siehe dazu Vertikal-Leitlinien der Kommission, Rn. 56) verletzt wird: Gegenüber stationär tätigen Händlern, die selbstverständlich auch außerhalb der Geschäftsräume mit ASICS-Markenzeichen werben dürfen, liegt in der Beschränkung der Online-Werbung auf die eigene Website („innerhalb der Geschäftsräume“) eine Benachteiligung (Beschluss, Rn. 353). Eine Rechtfertigung kann das Bundeskartellamt nicht erkennen.

 

Verbot der Preisvergleichsmaschinen

Die Argumente sind hier zunächst dieselben (Beschluss, Rn. 263 ff): Ein Pauschalverbot kann keinesfalls gerechtfertigt sein, bei jeder untersagten Preissuchmaschine wäre zu prüfen, inwieweit sie den Fachhandel beeinträchtigen könnte. Auch zum Schutz des Markeimages gilt das oben Gesagte: Das Bundeskartellamt hat sich unter Berufung auf den EuGH in Pierre Fabre damit nicht auseinandergesetzt, hätte aber auch sonst zum Schluss gelangen müssen, dass ein Pauschalverbot auch dafür nicht notwendig sein kann.

Dass dieses Verbot unter die Kernbeschränkung des Art 4 lit c Vertikal-GVO fällt, kann hingegen nicht mit dem Äquivalenzprinzip begründet werden, weil es zu den Preissuchmaschinen im stationären Handel kein Pendant gibt (Beschluss, Rn. 413). Allerdings liegt schon deshalb eine Kernbeschränkung vor, weil – wie das Bundeskartellamt ausführlich darlegt – keine qualitativen Erwägungen, die ein pauschales Verbot rechtfertigen können, ersichtlich sind (Beschluss, Rn. 469). Das Verbot taugt insbesondere nicht zum Schutz des Markenimages oder zur Lösung des Trittbrettfahrerproblems, weshalb es nicht aus dem Anwendungsbereich des Art 4 lit c Vertikal-GVO herausfallen kann.

 

Verbot von Online-Marktplätzen (Drittplattformverbot)

Die unter 3. genannte Vertragsklausel ist im Ergebnis ein Drittplattformverbot. Die Marke jenes Dritten, der die Internetseite betreibt, ist in der Regel nämlich nur dann nicht sichtbar, wenn der Dritte als bloßer Hoster auftritt. ASICS wollte seinen Händlern also nicht untersagen, den eigenen Online-Shop durch professionelle Host-Provider betreiben zu lassen. Alles, was darüber hinaus ging, war hingegen untersagt, insbesondere also alle Drittplattformen (Online-Markplätze wie eBay oder der Amazon Marketplace), weil dabei in aller Regel das Logo des Dritten für den Besucher der Internetseite sichtbar wird.

Das Bundeskartellamt tendiert dazu, dieses pauschale Drittplattformverbot als wettbewerbsbeschränkend einzustufen und unter Art 101 Abs 1 AEUV zu subsumieren, hat sich schlussendlich aber im Hinblick darauf, dass die oben erörterten Vertragsklauseln als jedenfalls kartellrechtswidrig eingestuft wurden, nicht mehr abschließend dazu geäußert, ob insoweit womöglich eine Freistellung nach der Vertikal-GVO stattfinden könnte (Beschluss, Rn. 515 ff und insbesondere Rn. 604 unter Verweis auf die Vertikal-Leitlinien der Kommission, Rn. 54). Offenbar hält das Bundeskartellamt die Rn. 54 der Vertikal-Leitlinien zwar für einschlägig, verweist dann aber wieder auf EuGH Pierre Fabre, wonach die Leitlinien äußerst eng auszulegen seien.

Zu den möglichen Rechtfertigungsgründen für Plattformverbote: Die 3 Gründe, mit denen sich ein vertragliches Verbot von Drittplattformen kartellrechtlich rechtfertigen lässt.

Zur Frage, ob Plattformverbote tatsächlich Kernbeschränkungen gemäß Art 4 lit b und c Vertikal-GVO sind: Moritz, Drittplattformverbote in quantitativ selektiven Vertriebssystemen, wbl 2016, 549. Zu dieser Frage ist überdies ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH anhängig (Rs 230/16 – „Coty Germany“).

 

Zusammenfassung

Das pauschale Werbeverbot auf Internetseiten Dritter und das pauschale Verbot der Nutzung von Preisvergleichsmaschinen („per-se-Verbote“) hat das Bundeskartellamt als kartellrechtswidrig eingestuft, und zwar zu Recht.

Zum pauschalen Verbot von Drittplattformen hat sich das Bundeskartellamt zu keiner abschließenden Beurteilung durchgerungen, allerdings mehrere interessante Aspekte aufgezeigt. Eine abschließende Erörterung dieses Themas wird an gesonderter Stelle erfolgen.

 

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