„Optiker des Jahres“ – Irreführende Werbung vor dem OGH

OGH 17.11.2015, 4 Ob 200/15p – „Optiker des Jahres“

Diese erst vor Kurzem ergangene Entscheidung des OGH bietet Anlass, für den Irreführungstatbestand (§ 2 UWG) relevante Grundsätze in Erinnerung zu rufen.

Die Beklagte hatte damit geworben, „Optiker des Jahres“ zu sein. Die Klägerin, eine Konkurrentin der Beklagten, begehrte die Unterlassung dieser Werbung und die Erlassung einer entsprechenden einstweiligen Verfügung.

 

Verfahrensgang

Das Rekursgericht hatte die einstweilige Verfügung erlassen (bzw deren Erlassung durch das Erstgericht bestätigt), der Beklagten die Werbung mit der Bezeichnung „Optiker des Jahres“ also verboten.

Die Beklagte hatte dagegen einen Revisionsrekurs an den OGH erhoben. Diesen Revisionsrekurs hat der OGH in der oben genannten Entscheidung zurückgewiesen.

 

Vorgangsweise bei der Prüfung, ob eine Irreführung vorliegt

Der OGH verweist zunächst auf den Rechtssatz RIS-Justiz RS0123292:

  1. Abzustellen ist auf einen durchschnittlich informierten und verständigen Interessenten für das Produkt oder die Dienstleistung, der eine dem Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwendet.
  2. Wie versteht dieser Interessent die strittige Ankündigung oder Aussage?
  3. Stimmt dieses Verständnis, also entspricht es den Tatsachen?
  4. Wenn ja, scheidet eine Irreführung aus. Wenn nein, ist zu prüfen, ob die unrichtige Ankündigung oder Aussage geeignet ist, den Interessenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte („Kausalität“). Nur wenn dies der Fall ist, ist der Irreführungstatbestand erfüllt.

 

„Kausalität“ der unrichtigen Aussage

Wichtig ist also: Eine unrichtige Aussage ist erst dann irreführend, wenn sie zu geschäftlichen Entscheidungen führt, die ohne diese Aussage nicht getroffen worden wären.

Bei der Prüfung dieser Art von „Kausalität“ ist zu beachten, dass einem Unternehmen im Regelfall nicht unterstellt werden kann, eine von vornherein unwirksame Werbung zu betreiben (OGH 4 Ob 127/12y). Das mag aus Sicht eines werbenden Beklagten hart klingen, schließlich nimmt es ihm ein praktisch immer zumindest vertretbares Argument, ist aber nur konsequent: Denn schließlich wirft das entsprechende Vorbringen eines Beklagten, wonach die strittige Formulierung keinen Einfluss auf das wirtschaftliche Verhalten der angesprochenen Interessenten gehabt habe, unweigerlich die Frage auf, weshalb die Formulierung dann überhaupt benützt wurde. Nur in Ausnahmefällen und aufgrund einleuchtender Argumente eines Beklagten nimmt der OGH daher an, dass eine unrichtige Ankündigung oder Aussage nicht dazu geeignet war, einen Interessenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte.

In der soeben erwähnten Entscheidung 4 Ob 127/12y hat der OGH außerdem gemeint, „die (potenzielle) Relevanz einer diesbezüglichen Irreführung ist daher zweifellos zu bejahen“. Aufschlussreich ist dabei vor allem das von Klammern umschlossene „potenziell“, weil es zeigt, dass die Klägerin keineswegs den Nachweis erbringen musste, dass der durchschnittliche Interessent oder auch nur ein Interessent von der unrichtigen Aussage tatsächlich zu einer abweichenden geschäftlichen Entscheidung veranlasst wurde. Die Klägerin musste vielmehr nur die entsprechende Eignung darlegen.

 

„Optiker des Jahres“

Das Rekursgericht hat diese Rechtsprechung auf den gegenständlichen Fall umgelegt und angenommen, dass der Durchschnittsverbraucher in der Bezeichnung „Optiker des Jahres“ nicht bloß eine Wertung oder marktschreierische Anpreisung sieht, sondern einen Hinweis auf eine Spitzenstellung in einer Umfrage oder einem „Ranking“. Eine solche Spitzenstellung lag tatsächlich aber nicht vor.

Das Rekursgericht hat außerdem angenommen, dass der Durchschnittsverbraucher durch diese Bezeichnung „Optiker des Jahres“ unter Umständen – dies ist aufgrund der oben beschriebenen Erwägungen ausreichend! – veranlasst wird, sich mit dem Angebot der Beklagten näher zu befassen. Und diese unter Umständen erfolgende nähere Befassung mit dem Angebot ist zweifellos dazu geeignet, das Kaufverhalten des Interessenten entscheidend zu ändern (wenngleich dieser wesentliche Schluss in der Entscheidung nicht ausdrücklich gezogen wird).

Der OGH hat ausgesprochen, dass diese Rechtsansicht des Rekursgerichts jedenfalls vertretbar ist, weshalb der Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage unzulässig sein musste.

Darüber hinaus hat der OGH zusätzlich erläutert, dass die Bezeichnung „Optiker des Jahres“ für sich betrachtet zwar womöglich noch nicht zu einem „Erfolg“ beim angesprochenen Interessenten führe – „Erfolg“ ist hier wohl als endgültiges Bewegen zum Kaufentschluss zu verstehen -, dass das positive Bild der Beklagten durch die Bezeichnung aber verstärkt werde. Die Beklagte hatte sich offenbar darauf berufen, dass erst die nachfolgende – den Tatsachen entsprechende – Anpreisung, es gebe bei ihr drei Brillen zum Preis von einer, den Interessenten in seinem Kaufverhalten beeinflussen würde, die unrichtige Ankündigung, „Optiker des Jahres“ zu sein, hingegen keinen zusätzlichen Einfluss ausübe. Dem hat der OGH entgegengehalten, dass die nachfolgende Anpreisung auch als Erklärung verstanden werden könnte, weshalb die Beklagte ein „Ranking“ anführe. Abgesehen davon hätte der Beklagten noch entgegnet werden können, dass bereits eine Eignung zur Einflussnahme auf das Kaufverhalten ausreicht, die der Behauptung, eine Spitzenstellung in einer Umfrage oder einem „Ranking“ einzunehmen, kaum abgesprochen werden kann.

Die Entscheidung ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung überzeugend und zutreffend. Der Sachverhalt bot keinen Anlass, von den entwickelten Rechtssätzen abzugehen.

 

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