KraSchG: Über die Hürden, die eine Klage im Kfz-Vertrieb überwinden muss
Das Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz (KraSchG) ist am 1. Juni 2013 in Österreich in Kraft getreten. Sein Anwendungsbereich ist sehr begrenzt, wie schon der Name des Gesetzes nahelegt. Wohl aus diesem Grunde lässt auch die Bekanntheit dieses Gesetzes zu wünschen übrig.
Dieser Beitrag betrifft eine Bestimmung aus dem Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz mit besonderer Bedeutung für den Rechtsanwender.
Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz: Geltungsbereich Kfz-Vertrieb
Das KraSchG gilt „für Vertriebsbindungsvereinbarungen über den Kauf oder Verkauf neuer Personenkraftwagen und leichter Nutzfahrzeuge und von Ersatzteilen für solche Kraftfahrzeuge sowie für Instandsetzungs- oder Wartungsdienstleistungen für Kraftfahrzeuge, die im Rahmen solcher Vertriebsbindungsvereinbarungen verkauft worden sind“ (§ 1 Abs 1 KraSchG).
Salopp gesprochen gilt das Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz also für Kfz-Händlerverträge und für Kfz-Werkstattverträge. Also für den Kfz-Vertrieb.Die außergerichtliche Streitbeilegung nach dem Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz
Die außergerichtliche Streitbeilegung nach dem Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz
§ 7. (1) Ein Vertragsteil hat vor der Einbringung einer Klage über eine Streitigkeit aus der Vertriebsbindungsvereinbarung zur gütlichen Einigung eine Schlichtungsstelle zu befassen, einen Antrag nach § 433 Abs. 1 ZPO zu stellen oder, sofern die andere Partei damit einverstanden ist, den Streit einem Mediator zu unterbreiten. Die Klage ist nur zulässig, wenn drei Monate ab Einleitung des Schlichtungsverfahrens, ab Einlangen des Antrags bei Gericht oder ab Beginn der Mediation verstrichen sind, ohne dass eine gütliche Einigung erzielt worden ist.
(2) …
(3) Sofern die Beteiligten nichts anderes vereinbaren, hat die Kosten der Schlichtung, des gerichtlichen Vergleichs oder der Mediation zunächst die Partei zu tragen, die die gütliche Einigung angestrebt hat. Wenn keine gütliche Einigung erzielt werden kann, sind diese Kosten im Rechtsstreit wie vorprozessuale Kosten zu behandeln.… § 7 Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz
(4) Die Schlichtungsstelle, das Gericht oder der Mediator haben dem Kläger eine schriftliche Bestätigung darüber auszustellen, dass keine gütliche Einigung erzielt werden konnte. Diese Bestätigung hat der Kläger der Klage anzuschließen.
Die in § 7 Abs 1 KraSchG (oben) genannte Bestimmung des § 433 Abs 1 ZPO regelt den Vergleichsversuch vor dem Bezirksgericht.
Drohende Konsequenz: Zurückweisung der Klage!
Diese Vorschrift des KraSchG hat schwerwiegende Folgen. Ein Gericht hat die Klage eines Herstellers/Importeurs oder eines Kfz-Vertragshändlers/Kfz-Servicepartners als unzulässig zurückzuweisen, wenn nicht die folgenden zwei Voraussetzungen vorliegen:
1. Die Streitteile müssen entweder
- ein Schlichtungsverfahren durchlaufen oder
- einen Vergleichsversuch gemäß § 433 Abs 1 ZPO beantragt oder
- einen Mediator hinzugezogen haben.
2. Der Klage muss eine Bestätigung darüber angeschlossen sein (§ 7 Abs 4 KraSchG), dass in den drei auf den Beginn dieses außergerichtlichen Streitbeilegungsversuches folgenden Monaten keine gütliche Einigung erzielt werden konnte.
Das mit dieser Vorschrift verbundene Haftungsrisiko ist – je nach Streitwert – potenziell hoch. Denn die entrichtete gerichtliche Pauschalgebühr ist verloren, wenn das Gericht die Klage mangels durchlaufener außergerichtlicher Streitbeiligung oder mangels Bestätigung darüber zurückweist.
Außerdem geht Zeit verloren, wenn der Kläger nach gescheiterter Klagseinbringung den mindestens drei Monate dauernden Streitbeilegungsversuch durchlaufen muss.
Anwendbar ist die außergerichtliche Streitbeilegung insbesondere auch auf die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs.
Der Ursprung des KraSchG: Kfz-GVO „alt“
Ziel des Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetzes war es, die Interessen der Kfz-Vertragshändler und -werkstätten zu schützen. Denn die alte Kfz-GVO Nr. 1400/2002, die zahlreiche Bestimmungen zum Schutze der Interessen der Händler/Werkstätten enthalten hatte, verlor mit 31. Mai 2013 ihre Geltung.
Das Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz hat Bestimmungen der alten Kfz-GVO nun zum Teil in die nationale Zivilrechtsgesetzgebung überführt.
Allerdings hat sie sich damit nicht begnügt. Denn insbesondere eine verpflichtende außergerichtliche Streitbeilegung hatte die alte Kfz-GVO nicht gekannt. Daran knüpft nun auch Kritik am Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz an:
Kritik am KraSchG
Gerade in Fällen, in denen sich die Streitteile unversöhnlich gegenüber stehen, beschränkt sich der Effekt des zwingend vorgeschaltenen Prozederes darauf, dass die klagende Partei ab dem Entschluss, Klage einzubringen, länger auf eine Endentscheidung warten muss.
Außergerichtliche Gespräche häufig schon vorher
Der Gesetzgeber hat Folgendes nicht ausreichend berücksichtigt. Schon in der Zeit vor dem 1.6.2013, als eine außergerichtliche Streitbeilegung noch nicht verpflichtend war, haben die Parteien bei Meinungsverschiedenheiten in der Regel Vergleichsgespräche geführt. Dies vor allem dann, wenn eine Mindestgesprächsbasis bestand.
Diese Vergleichsgespräche fanden in der Regel ohne Schlichter/Richter/Mediator statt. Und diese formlosen Vergleichsgespräche finden auch heute noch statt, und zwar vor Einleitung eines Verfahrens nach § 7 KraSchG.
Und während ernsthaft geführter formloser Vergleichsgespräche werden sich die Parteien davor hüten, den Streitbeilegungsprozess gemäß § 7 KraSchG (wenn auch nur „vorsichtsweise“) bereits in Gang zu setzen. Denn schließlich könnte dies vom Verhandlungsgegner als Signal verstanden werden, dass man es mit den Gespräche nicht ernst meint oder diese bereits als gescheitert betrachtet.
Längere Verfahrensdauer durch das KraSchG?
In weiterer Folge führt dies dann aber dazu, dass Versuche einer „Außergerichtlichen Streitbeilegung“ gemäß Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz in der Regel erst dann eingeleitet werden, wenn die formlosen Vergleichsgespräche endgültig gescheitert sind und eine Streitpartei daher entschlossen ist, die Klage einzubringen.
Weitere Streitbeilegungsversuche, wie von § 7 KraSchG vorgesehen, werden sich dann aber häufig als nicht mehr sinnvoll erweisen. Vielmehr werden die darauffolgenden drei Monate häufig nutzlos verstreichen.
Die Verfahrensdauer steigt und wenn man unterstellt, dass manche Klagen berechtigt sein werden, dann muss man zum Schluss gelangen, dass ein Teil der Kläger später zu seinem Recht kommt, ohne dass dem irgendein Nutzen gegenüber steht. Denn jene Streitigkeiten, die man einer vergleichsweisen Lösung zuführen kann, wird man ohnehin noch vor Einleitung des Prozederes gemäß § 7 KraSchG vergleichen. Im Übrigen kommt es auch im ordentlichen Gerichtsverfahren zu einem Vergleichsversuch.
Insofern ist nicht ersichtlich, wie die verpflichtende außergerichtliche Streitbeilegung nach § 7 KraSchG dazu geeignet sein könnte, Gerichtsverfahren zu verhindern.
Klarer Fall von „gut gemeint“ also: Längere Dauer, höhere Kosten und wohl nur eine äußerst geringe Erhöhung des Anteils jener Streitigkeiten, die mit einem Vergleich enden.
Streitbeilegung auch für einstweilige Verfügungen?
Was häufig übersehen wird: Einstweilige Verfügungen kann der Kläger selbstverständlich unverzüglich bei Gericht beantragen. Insoweit muss der Kläger also nicht außergerichtlich „streitbeigelegen“ und drei Monate zuwarten. Denn § 7 Abs 1 Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz spricht ausdrücklich nur von der Klage, nicht vom Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
Freilich kann der Antragsteller seinen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht mit der erst zu einem späteren Zeitpunkt zulässigen Klage verbinden. Verbunden werden beide Verfahren dann erst vom angerufenen Gericht. Beim Kläger führt dies zu höheren Kosten. Beim Beklagten ergibt sich ein betraglich höheres Kostenersatzrisiko. Auch dies hat der Gesetzgeber womöglich nicht bedacht.
Streitbeilegung im KraSchG – Ergebnis
Ungeachtet dieser Kritik bleibt für den Rechtsanwender Folgendes wesentlich:
- Der Kläger muss vor Einbringung der Klage die außergerichtliche Streitbeilegung gemäß § 7 Abs 1 Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz durchlaufen. Er darf nicht vergessen, die Bestätigung darüber der Klage anzuschließen (§ 7 Abs 4 KraSchG). Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung kann er trotzdem unverzüglich beantragen.
- Der Beklagte kann prüfen, ob der Kläger womöglich vergessen hat, die außergerichtliche Streitbeilegung gemäß § 7 Abs 1 Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz zu durchlaufen. Womöglich hat er auch der Klage die Bestätigung gemäß § 7 Abs 4 KraSchG nicht angeschlossen. Wenn dies der Fall ist, kann der Beklagte bei nächster Gelegenheit die Unzulässigkeit des Rechtsweges einwenden.