Vertriebsvertrag verloren, Investitionen frustriert?

Der Anspruch auf Investitionskostenersatz bei Beendigung eines Vertriebsvertrages

2003 wurde in Österreich zugunsten von Handelsvertretern und Vertragshändlern ein zwingender Anspruch auf Investitionskostenersatz eingeführt (§ 454 Unternehmensgesetzbuch). Den Handelsvertretern und Vertragshändlern sollte das Risiko abgenommen werden, dass aufwendige Investitionen aufgrund der Beendigung des Vertriebsvertrages frustriert sind.

Höchstgerichtliche Rechtsprechung ist zu diesem in der Beratungspraxis bedeutsamen Ersatzanspruch bislang nicht ergangen. Dieser Beitrag geht der Frage nach, welche Voraussetzungen für einen Anspruch auf Investitionskostenersatz erfüllt sein müssen.

Anspruch auf Investitionskostenersatz – Rechtliche Grundlage

§ 454 Abs 1 des österreichischen Unternehmensgesetzbuches (UGB) bestimmt Folgendes.

„Ein Unternehmer, der an einem vertikalen Vertriebsbindungssystem als gebundener Unternehmer oder als selbständiger Handelsvertreter (§ 1 HVertrG) teilnimmt, hat bei Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem bindenden Unternehmer Anspruch auf Ersatz von Investitionen, die er nach dem Vertriebsbindungsvertrag für einen einheitlichen Vertrieb zu tätigen verpflichtet war, soweit sie bei der Vertragsbeendigung weder amortisiert noch angemessen verwertbar sind.“

Welche Tatbestandsmerkmale des Anspruchs auf Investitionskostenersatz können dieser Bestimmung entnommen werden?

Wenn in der Folge vom „Vertragshändler“ die Rede ist, kann der Leser diesen Begriff auch durch „Handelsvertreter“ ersetzen. Die Rechtslage ist insoweit dieselbe.

Der Vertragspartner des Vertragshändlers heißt auch „bindender Unternehmer“.

Investitionskostenersatz nur bei Beendigung des Vertriebsvertrages

Ein Anspruch auf Investitionskostenersatz gemäß § 454 UGB setzt das Ende eines Vertriebsvertrages voraus. Die Art der Beendigung spielt im Rahmen des Abs 1 keine Rolle.

Investitionskostenersatz nur bei Pflicht zur Investition

Der Anspruch bezieht sich ausschließlich auf jene Investitionen, zu denen der Vertragshändler (bzw. Handelsvertreter) vertraglich verpflichtet war.

Ein bloßer Druck von Seiten des Herstellers, Investitionen in einen einheitlichen Markenauftritt zu tätigen, reicht daher nicht aus. Ein solcher Druck kann sich etwa äußern in Form von „unverbindlichen Empfehlungen“. Auch denkbar sind informelle Nebenbemerkungen oder unmissverständliche Verweisen auf andere Vertragshändler und deren umfangreiche Investitionen.

Notwendig ist vielmehr das Vorliegen einer Vertragspflicht im engsten Sinne des Wortes. Davon umfasst sind freilich auch einseitige Weisungen des Herstellers, wenn eine vertragliche Pflicht zu deren Befolgung besteht (Weisungsrecht oder Änderungsvorbehalt).

Die ausdrückliche Einschränkung auf vertraglich vorgeschriebene Investitionen mag auf den ersten Blick verwundern. Nachvollziehbar wird sie, wenn man bedenkt, wie schwierig die Abgrenzung zu wirklich freiwilligen Investitionen andernfalls wäre. Und wirklich freiwillige Investitionen sollten vom Anspruch auf Investitionskostenersatz keinesfalls erfasst sein.

Kostenersatz nur für Investitionen für einheitlichen Vertrieb

Der Anspruch bezieht sich ausschließlich auf Investitionen für einen einheitlichen Vertrieb.

Es geht um produkt- und markenspezifische Investitionen. Beispiele sind ein einheitliches Erscheinungsbild, Produktionsanlagen, Mitarbeiterkleidung, Schulungen, EDV-Systeme, Software, Werkzeuge, etc.

Investitionskostenersatz nur für Differenz zu fiktiven Aufwendungen

Vom Ersatzanspruch soll nur die Differenz zwischen den tatsächlichen und den fiktiven Kosten im Falle einer nicht vorgeschriebenen Ausstattung umfasst sein. Dies hat der Gesetzgeber in seinen Erläuterungen klargestellt.

Dies mindert den Anspruch insbesondere für jene Investitionen, die der Unternehmer auch ohne vertragliche Vorgabe – wenngleich kostengünstiger – getätigt hätte. Diese Einschränkung ist konsequent, schließlich bestand nur insoweit eine Ursächlichkeit der vertraglichen Vorgaben des Herstellers zur Vereinheitlichung des Vertriebs. In der Literatur wird diese Einschränkung dennoch angezweifelt. (Vgl. die Nachweise bei Bergmann in Straube/Ratka/Rauter, UGB4 § 454 Rz 36.)

Investitionskostenersatz nur ohne Amortisation oder Verwertbarkeit

Der Ersatzanspruch beschränkt sich auf Investitionen, die bei Vertragsbeendigung weder amortisiert noch angemessen verwertbar sind.

Die Amortisation tritt nach herrschender Ansicht dann ein, wenn die Kosten der Investition durch den daraus erwirtschafteten Ertrag zumindest gedeckt sind (vgl. Schauer in Krejci, RK UGB § 454 Rz 14). Vom Vertragshändler verschuldete Ertragseinbußen führen insoweit zum Entfall eines Investitionskostenersatzanspruchs, als ohne sie eine Deckung der Kosten bereits eingetreten wäre.

Verwertbar ist eine Investition, wenn der Unternehmer sie veräußern oder vermieten kann. Der Begriff „angemessen“ bedeutet, dass der Vertragshändler sich im zumutbaren Rahmen um eine Verwertung bemühen muss. Erst wenn dies scheitert, kann er unter Verweis auf die fehlende Verwertbarkeit Investitionskostenersatz begehren. Bei markenspezifischen Einrichtungsgegenständen wird eine Verwertbarkeit aber häufig schon von Beginn an zum Scheitern verurteilt sein. Denn aufgrund bestehender Markenrechte darf der Vertragshändler diese Gegenstände ohne Lizenz nicht verwenden.

Investitionskostenersatz gebührt nur, soweit weder Amortisation noch Verwertbarkeit vorliegen. Eine teilweise Amortisation mindert daher den Ersatzanspruch.

Ausschluss des Anspruchs auf Investitionskostenersatz

In seinem zweiten Absatz nennt § 454 UGB jene Fälle, in denen kein Anspruch auf Investitionskostenersatz zusteht. Die Aufzählung ist parallel zu den Ausschlussgründen für den Ausgleichsanspruch gemäß § 24 Abs 3 Handelsvertretergesetz. Den Begriff „Vertragshändler“ kann der Leser durchwegs auch durch „Handelsvertreter“ ersetzen.

  1. Kündigung oder vorzeitige Auflösung des Vertriebsvertrages durch den Vertragshändler, ohne dass der Vertragspartner dazu durch einen zurechenbaren wichtigen Grund Anlass gegeben hat. Auf ein Verschulden des Vertragspartners kommt es zwar nicht an, entscheidend ist aber die Zurechenbarkeit. Fälle höherer Gewalt und insbesondere auch die Unfähigkeit des Vertragshändler zur weiteren Ausübung seiner Tätigkeit ermöglichen somit keine anspruchswahrende Kündigung. So zumindest ausdrücklich die Erläuterungen zur Regierungsvorlage. Das Schrifttum ist dennoch zum Teil anderer Ansicht. Zu dieser Kontroverse ausführlich: Bergmann in Straube/Ratka/Rauter, UGB4 454 Rz 53.
  2. Kündigung oder vorzeitige Auflösung des Vertriebsvertrages durch den Vertragspartner des  Vertragshändlers aus wichtigem Grund. Der wichtige Grund muss dem Vertragshändler zurechenbar sein, auf ein Verschulden kommt es auch hier nicht an.
  3. Schließlich entfällt der Anspruch auf Investitionskostenersatz auch dann, wenn der Vertragshändler den Vertrag aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Lieferanten einem Dritten rechtswirksam überbindet. Diese Ausnahme ist konsequent. Denn immerhin besteht der Vertriebsvertrag in diesem Falle fort. Und im Zuge der Vertragsüberbindung kann der Vertragshändler die Investitionen in der Regel ohnehin angemessen verwerten.

Vorsicht, Verfallsfrist!

Der Anspruch auf Investitionskostenersatz verfällt, wenn der Vertragshändler dem bindenden Unternehmer nicht innerhalb eines Jahres ab Vertragsende mitgeteilt hat, dass er seine Rechte geltend macht.

Diese Regelung entspricht jener beim Ausgleichsanspruch (vgl § 24 Abs 5 Handelsvertretergesetz). Auch hier handelt es sich um eine Präklusivfrist.

Zwingende Natur des Anspruchs auf Investitionskostenersatz

Die gesamte Bestimmung des § 454 Unternehmensgesetzbuch über den Anspruch auf Investitionskostenersatz ist zugunsten des Vertragshändlers einseitig zwingend. Dies gilt für alle „im Voraus“ getroffenen Vereinbarungen, also für alle Vereinbarungen, die vor Vertragsende getroffen werden. Somit ist ein vertraglicher Ausschluss des gesetzlich zustehenden Investitionskostenersatzes im Rahmen einer einvernehmlichen Auflösung des Vertriebsvertrages nicht möglich. Die Rechtslage ist daher dieselbe wie beim Ausgleichsanspruch (vgl. die einschlägigen Beiträge für Handelsvertreter und Vertragshändler).

Nach überwiegender Ansicht ist § 454 UGB auch international zwingend, also als Eingriffsnorm im Sinne des Art 9 Rom I-VO zu qualifizieren (vgl. dazu EuGH 9.11.2000, Rs C-381/98, Ingmar/Eaton, Rz 25, außerdem Art 17 Abs 2 der Europäischen Handelsvertreter-Richtlinie und insbesondere diesen Beitrag zum Ausgleichsanspruch des internationalen Handelsvertreters). Zur Begründung verweist die Literatur darauf, dass § 454 UGB als „Schadenersatzanspruch“ gemäß Art 17 Abs 3 Handelsvertreter-RL interpretiert werden könne (vgl Bergmann in Straube/Ratka/Rauter, UGB4 § 454 Rz 70; Schauer in Krejci, RK UGB § 454 Rz 22).

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