Verlängerter Eigentumsvorbehalt in der Vertriebskette

Verlängerter Eigentumsvorbehalt: So wappnet sich ein Hersteller gegen zahlungsunwillige oder zahlungsunfähige Abnehmer

Vertriebsverträge zwischen Herstellern einerseits und Groß- oder Einzelhändlern andererseits enthalten in der Regel einen Eigentumsvorbehalt. Der Hersteller behält sich das Eigentum an der vom Händler erworbenen Ware vor, bis dieser den Kaufpreis bezahlt hat. Bezahlen kann der Händler aber häufig erst, wenn er die Ware selbst weiterverkauft und dafür ein Entgelt erhalten hat. Der Hersteller gestattet dem Händler daher häufig, Waren weiterzuveräußern, noch bevor der Händler durch Bezahlung des Kaufpreises Eigentümer geworden ist. Das nennt man dann Verfügungsermächtigung und kann wirtschaftlich sehr sinnvoll sein.

Aber was bedeutet das für das vorbehaltene Eigentum des Herstellers an der Ware? Dieser Beitrag zeigt, wie der Hersteller eine Verfügungsermächtigung erteilen kann, ohne auf die Sicherstellung seiner Kaufpreisforderung völlig verzichten zu müssen. Der Schlüssel dazu heißt „verlängerter Eigentumsvorbehalt“.

Folgende Ausgangssituation. Der Hersteller liefert vor Zahlungseingang und behält sich das Eigentum an der Ware vor. Er weiß, dass der Käufer (Händler) die Ware nicht bezahlen kann, solange er von seinem Käufer keine Zahlung erhalten hat. Dieser wiederum möchte nur zahlen, wenn er die Ware auch erhält.

Vorsicht vor der konkludenten Einräumung einer Verfügungsermächtigung

Vorsicht ist zunächst deshalb geboten, weil eine Verfügungsermächtigung nicht unbedingt ausdrücklich eingeräumt werden muss. Vielmehr wird sie gerade in der Absatzkette (Vertriebskette) in vielen Fällen als bereits konkludent erteilt gelten. Händler dürfen häufig auf die stillschweigende Erteilung einer Verfügungsermächtigung vertrauen. Das gilt freilich nicht in Fällen, in denen eine Verfügungsermächtigung im Vertriebsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen wurde.

Allerdings umfasst eine Verfügungsermächtigung, ob nun ausdrücklich oder konkludent erteilt, in aller Regel nur Weiterveräußerungen „im ordentlichen Geschäftsbetrieb“. Konkret gemeint ist damit entweder „Barzahlung“ oder „auf Rechnung mit angemessener Zahlungsfrist“.

Weshalb nun „Vorsicht“? Die stillschweigend erteilte Verfügungsermächtigung bedeutet, dass ein verlängerter Eigentumsvorbehalt in der Praxis wichtiger sein könnte als gedacht. Insbesondere kann er auch Hersteller betreffen, welche davon ausgehen, dass sie mangels ausdrücklicher Verfügungsermächtigung ohnehin keinen Bedarf dafür haben.

Verfügungsermächtigung ermöglicht derivativen Eigentumserwerb des Zweitkäufers

Weshalb knüpft dieser Beitrag zum verlängerten Eigentumsvorbehalt nun ständig an der „Verfügungsermächtigung“ an? Nun, ganz wesentlich ist die folgende Erkenntnis. Im Falle einer Verfügungsermächtigung erwirbt der Käufer des Händlers im Zuge der Verfügung über die Ware (Übergabe an ihn) Eigentum.

Den Käufer (Vertragspartner) des Händlers nennen wir auch „Zweitkäufer“, häufig ist das der Endkunde.

Insofern konterkariert die vom Hersteller dem Händler eingeräumte Verfügungsermächtigung den Eigentumsvorbehalt. Denn diese Verfügung lässt das Eigentum des Herstellers ja erst recht wieder vor der Zahlung durch den Händler untergehen. Der Hersteller verliert sein Eigentum, sobald der Zweitkäufer durch die Übernahme der Ware Eigentum erwirbt. Und die erteilte Verfügungsermächtigung ist für diesen derivativen Eigentumserwerb Voraussetzung.

Verlängerter Eigentumsvorbehalt als Antwort auf den drohenden Eigentumsverlust

Für den Hersteller stellt sich nun die folgende Frage. Wie kann er sich gegen eine Zahlungsunfähigkeit des Händlers auch während jenes „kristischen“ Zeitraums absichern, in dem er sein ursprünglich vorbehaltenes Eigentum an der Ware durch den derivativen Eigentumserwerb des Zweitkäufers bereits verloren, vom Händler aber noch keine Zahlung erhalten hat?

Die Lösung bietet ein „verlängerter Eigentumsvorbehalt“, also die Verlängerung des vereinbarten Eigentumsvorbehalts.

Ein verlängerter Eigentumsvorbehalt ist in zwei Spielarten möglich, und zwar als Sicherungszession und als antizipiertes Besitzkonstitut. Die zu bevorzugende Spielart hängt davon ab, welche Zahlungsart der Händler (Käufer) mit dem Zweitkäufer vereinbart hat.

Verlängerter Eigentumsvorbehalt Variante 1: Sicherungszession

Wenn der Händler die Ware an den Zweitkäufer auf Rechnung weiterverkauft, erwirbt der Händler eine Kaufpreisforderung gegen den Zweitkäufer. In diesem Fall besteht nur eine Möglichkeit, den Hersteller trotz des Eigentumsverlustes gegen eine Insolvenz des Händlers abzusichern. Und zwar eine sicherungsweise Abtretung dieser Kaufpreisforderung des Händlers an den Hersteller, also eine Sicherungszession. Als Konsequenz schuldet der Zweitkäufer den Kaufpreis nicht mehr dem Händler, sondern direkt dem Hersteller.

Die Sicherungszession selbst wird aber erst wirksam, wenn ein Publizitätsakt gesetzt wird. Die Abtretung muss also für Dritte (Außenstehende) erkennbar werden.

Publizitätsakt Nr. 1 – Verständigung

Dafür jedenfalls ausreichend wäre die Verständigung des Zweitkäufers von der Abtretung („Drittschuldnerverständigung“). Etwa in Form eines Hinweises, dass dieser an den Hersteller zu bezahlen hat. Die Folge wäre, dass der Zweitkäufer überhaupt nur mehr an den Hersteller schuldbefreiend leisten könnte. In der Praxis werden freilich viele Händler gegen diese Vorgangsweise einer Drittschuldnerverständigung Einwände haben. Denn schließlich wird dem Zweitkäufer damit offengelegt, dass der Händler den Kaufpreis selbst noch nicht bezahlt hat.

Publizitätsakt Nr. 2 – Buchvermerk

Forderungen buchführungspflichtiger Unternehmer heißen „Buchforderungen“. Bei Buchforderungen gibt es zur beschriebenen Verständigung des Zweitkäufers einen alterativen Publizitätsakt, und zwar den „Buchvermerk“. Der Buchvermerk kennzeichnet die Forderung in den Büchern des Händlers als „an den Hersteller abgetreten“. Die Sicherungszession würde dadurch im Verhältnis Hersteller-Händler zwar wirksam. Allerdings könnte der Zweitkäufer mangels Kenntnis davon weiterhin schuldbefreiend an den Händler leisten. Im Vergleich zur Verständigung jedes Zweitkäufers von der Abtretung der gegen ihn bestehenden Forderung bietet der Buchvermerk zwei Vorteile.

  1. Bei einer ständigen Geschäftsbeziehung zwischen Hersteller und Händler kann der Buchvermerk bereits im Voraus für alle zukünftigen Forderungen erfolgen („global“). Dies reduziert den Aufwand deutlich.
  2. Außerdem bliebe dem Händler die Thematisierung der Abtretung seinem Vertragspartner (Zweitkäufer) gegenüber erspart. Er könnte seine Kaufpreisforderung weiterhin selbst einziehen.

Allerdings liegt im 2. Vorteil ein Risiko für den Hersteller begraben. Denn die Zahlung würde – wie in einer Situation ohne Sicherungszession – über den Händler laufen. Und der Händler meldet womöglich noch vor Weiterleitung des Betrages an den Hersteller Insolvenz an. Oder er verwendet den erhaltenen Betrag zum „Stopfen anderer Löcher“. Für den Zweitkäufer hatte die Zahlung an den Händler schuldbefreiende Wirkung. Womöglich kommte es daher trotz aller Maßnahmen schlussendlich zum Zahlungsausfall beim Hersteller.

Außerdem ist der Buchvermerk gerade bei jenen Händlern, die kleine Einzelunternehmer sind, keine taugliche Alternative zur Verständigung des Zweitkäufers. Denn solche Händler sind in der Regel nicht buchführungspflichtig.

Zwischenergebnis zur Sicherungszession

An die zwei Gefahren für den Hersteller sei nochmals erinnert.

  • Insolvenz des Händlers.
  • Vereinbarungswidrige Verwendung des vom Zweitkäufer erhaltenen Kaufpreises für andere Zwecke („Stopfen anderer Löcher“).

Volle Sicherheit dagegen liefert ein per Sicherungszession verlängerter Eigentumsvorbehalt nur, wenn der Zweitkäufer (Drittschuldner) unverzüglich verständigt wird. Denn nur dann kann er nur mehr an den Hersteller schuldbefreiend leisten, nicht mehr an den Händler.

Unterbleibt diese Drittschuldnerverständigung, bietet der per Sicherungszession verlängerte Eigentumsvorbehalt keine verlässliche Sicherheit. Denn erfahrungsgemäß sind es gerade die mit Zahlungsschwierigkeiten kämpfenden Händler, welche am ehesten geneingt sind, den vom Zweitkäufer bezahlten Kaufpreis nicht unverzüglich an den Hersteller weiterleiten, sondern anderweitig verwenden.

Verlängerter Eigentumsvorbehalt Variante 2: Antizipiertes Besitzkonstitut

Der Eigentumsvorbehalt des Herstellers lässt sich nicht nur per Sicherungszession verlängern. Eine andere Möglichkeit zur Verlängerung bietet das antizipierte Besitzkonstitut am entgegengenommenen Geldbetrag.

Diese Variante erfordert jedoch eine recht starre Vorgangsweise.

  • Der Zweitkäufer bezahlt die vom Händler gekaufte Ware bar.
  • Der Händler nimmt das den Kaufpreis deckende Bargeld gegen Ausfolgung der Ware Zug um Zug entgegen.
  • Das entgegengenommene Bargeld nimmt der Händler gesondert von seinem sonstigen Geldbestand in Verwahrung und hat es für den Hersteller inne. Dadurch kann der Hersteller an diesem Bargeld Eigentum erwerben, ohne es selbst schon übernommen zu haben („Besitzkonstitut“).
  • Dadurch wird das vorbehaltene Eigentum an der Kaufsache im Zuge deren Übergabe an den Zweitkäufer auf das entgegengenommenen Bargeld übertragen.
  • Wird diese Vorgangsweise, insbesondere das Besitzkonstitut, im Vertriebsvertrag schon im Voraus vereinbart, dann ist dieses Besitzkonstitut antizipiert.

Rein rechtlich sind hier zwei Konstruktionen denkbar. Entweder der Hersteller erwirbt am Bargeld sofort Eigentum, dem Zugriff der anderen Gläubiger des Händlers wäre es von Vornherein entzogen. Oder aber ein „Durchgangserwerb“ des Händlers muss stattfinden, was ein erstes Risikomoment für den Hersteller bedeuten würde. Denn dann greifen die Gläubiger des Händlers womöglich auf das Bargeld. Über die Frage, welche Konstruktion nun die richtige ist, gehen die Meinungen in der zivilrechtlichen Literatur auseinander. Für Details etwa Binder/Spitzer in Schwimann/Kodek, ABGB IV, 4. Auflage, § 1063 Rz 65, inbes. FN 221.

Ein zweites Risikomoment für den Hersteller besteht in der Unberechenbarkeit des Verhaltens des Händlers. Denn durch Vermengung des übernommenen Bargeldes mit eigenem Geld erwirbt der Händler Eigentum am vom Zweitkäufer erhaltenen Bargeld (§ 371 ABGB). Aus diesem Grunde setzt das Sicherungsmittel des per antizipiertem Besitzkonstitut verlängerten Eigentumsvorgehaltes die gesonderte Verwahrung des entgegengenommenen Bargeldes voraus. Somit hilft dieses Sicherungsmittel gerade gegen unüberlegte Handlungen eines mit Zahlungsschwierigkeiten kämpfenden, womöglich verzweifelten Händlers nur begrenzt. Dass die pflichtwidrige Verwendung des Geldes häufig als strafbare Veruntreuung gemäß § 133 StGB anzusehen sein wird, ändert daran nichts.

Risiko für den Hersteller trotz Untersagung der Verfügung: Gutgläubiger Eigentumserwerb

Der Händler, der unter Eigentumsvorbehalt stehende Ware kauft und übernimmt, gilt als Vertrauensmann des Herstellers (des Eigentümers) im Sinne des § 367 ABGB. Deshalb kann ein Zweitkäufer an der Ware selbst dann Eigentum erwerben, wenn der Händler nicht berechtigt war, die Waren weiterzuveräußern, also keine Verfügungsberechtigung bestand. Mangels Ableitung des Zweitkäufereigentums spricht man nicht vom derivativen Eigentumserwerb, sondern von einer Form des originären Eigentumserwerbs: Vom gutgläubigen Eigentumserwerb.

Und dagegen kann der Hersteller nichts machen, außer die Ware überhaupt komplett zurückzuhalten.

Es besteht somit auch dann ein Risiko für den Hersteller, wenn er im Hinblick auf die oben dargestellten Mängel der möglichen Ersatzsicherheiten eine Verfügungsermächtigung des Händlers für noch nicht bezahlte Ware überhaupt ausschließt.

Der gute Glauben des Dritten ist freilich dann ausgeschlossen, wenn er aufgrund des Umstandes, dass diese Waren bekannterweise nur unter Eigentumsvorbehalt veräußert werden, Verdacht hätte schöpfen müssen (Nachforschungspflicht, vgl. etwa RIS-Justiz RS0010878, RS0010877, RS0010904). Dann ist ein gutgläubiger Eigentumserwerb ausgeschlossen. Insbesondere bei Kraftfahrzeugen sind die Nachforschungspflichten, welche die Rechtsprechung dem Dritten auferlegt, erheblich (vgl. etwa RIS-Justiz RS0080033, RS0010891).

Verlängerter Eigentumsvorbehalt: Ergebnis

Wie lässt sich nun das mit dem Warenvertrieb in der Absatzkette verbundene Risiko einer Insolvenz oder Veruntreuung des Händlers bei rein rechtlicher Betrachtungsweise am ehesten minimieren?

Rechtlich „wasserdicht“ ist nur der per Sicherungszession verlängerte Eigentumsvorbehalt. Und zwar auch nur dann, wenn der Zweitkäufer von der Sicherungszession verständigt wird.

Der Hersteller sollte daher im Vertriebsvertrag im Voraus vereinbaren, dass der Händler seine Kaufpreisforderungen gegen Zweitkäufer an den Hersteller abtritt. Die Drittschuldnerverständigung sollte entweder vom Hersteller durchgeführt werden oder jeweils vom Händler dem Hersteller nachzuweisen sein.

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