„Schwarz kaufen“ und „20% Mehrwertsteuer geschenkt“ – OGH zu unlauterer Werbung

OGH 24.5.2016, 4 Ob 95/16y – „schwarz kaufen“

Die Beklagte betreibt in Österreich zahlreiche Möbelhäuser. Sie warb damit, dass man bei ihr Möbel „schwarz kaufen“ könne und damit, dass man 20% Mehrwertsteuer auf ein Möbelstück der Wahl geschenkt bekomme.

Der Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb erhob gegen diese Praxis aus zweierlei Gründen eine Unterlassungsklage samt Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung:

  1. Die Kunden der Beklagten hatten den „geschenkten“ Betrag tatsächlich nur in Form eines nachträglich einzulösenden Gutscheins erhalten. Es hatte sich also nicht der Kaufpreis für das erworbene Produkt selbst reduziert, vielmehr wurde dem Kunden eine Gutschrift für einen Folgekauf ausgestellt: Erst im Zuge des nächsten Einkaufes konnte ein Möbelstück „schwarz gekauft“ werden. Dies habe die Beklagte nicht ausreichend deutlich klargestellt.
  2. Außerdem umfasste der ausgestellte Gutschein zwar tatsächlich einen Rabatt in Höhe der Mehrwertsteuer von 20% auf den Nettokaufpreis, was bezogen auf den Bruttokaufpreis jedoch nur einem Rabatt in Höhe von 16,67% entspricht. Auf diese Diskrepanz habe die Beklagte ebenfalls nicht ausreichend deutlich hingewiesen.

Die Werbung der Beklagten sei deshalb irreführend und unlauter (§ 2 UWG).

 

Entscheidung

Das Rekursgericht (Oberlandesgericht Linz) hat dem Begehren des Klägers im Provisorialverfahren entsprochen und der Beklagten per einstweiliger Verfügung sinngemäß untersagt, im geschäftlichen Verkehr blickfangartig hervorgehoben zu bewerben, dass man bei ihr Möbel „schwarz kaufen“ könne und/oder 20 % Mehrwertsteuer auf ein Möbelstück der Wahl geschenkt erhalte,

  • wenn der entsprechende Betrag nur in Form eines erst nachträglich einzulösenden Gutscheins gewährt wird, der nicht auf den Kaufpreis des vom Kunden gewählten Möbelstücks selbst, sondern erst für zukünftige Käufe anderer Waren einlösbar ist, wenn auf diese und/oder weitere Einschränkungen der Anrechenbarkeit des Mehrwertsteuergeschenks nicht ausreichend deutlich hingewiesen wird; und/oder
  • wenn nicht ein Nachlass von 20 % des Verkaufspreises eingeräumt wird, sondern nur eine Ersparnis von maximal 16,67 % vom Bruttoverkaufspreis, ohne dass über diese geringere Höhe der Preisreduktion im Verhältnis zum blickfangartig herausgestrichenen angeblichen Vorteil eines Geschenks von 20 % hinreichend deutlich hingewiesen wird.

Der OGH hat diese Entscheidung bestätigt und den Revisionsrekurs der Beklagten als unzulässig zurückgewiesen.

 

Begründung

Eingangs stellt der OGH klar, dass es für den soeben wiedergegebenen Spruch des Rekursgerichts bereits ausreichend ist, wenn die beanstandete Werbung der Beklagten in einer ihrer Varianten in einem bestimmten von der Beklagten gewählten Medium unlauter war (Urteil, Punkt 2.). Es hilft der Beklagten daher nicht, wenn ihre Werbung in einem anderen Medium – etwa aufgrund einer ausreichend deutlichen Aufklärung – nicht unlauter war. Um eine Umgehung des Verbots nicht allzu leicht zu machen, ist nämlich ausgehend von einem konkreten Verstoß ein allgemein gefasstes Verbot zu erlassen (RIS-Justiz RS0037607).

Anschließend verweist der OGH auf die Maßfigur für die lauterkeitsrechtliche Prüfung einer gegenüber Verbrauchern angewendeten Geschäftspraktik, den angemessen gut unterrichteten und angemessen aufmerksamen und kritischen Durchschnittsverbraucher (so schon OGH 4 Ob 69/08p). Ausgehend davon erkennt der OGH in der Rechtsansicht des Rekursgerichts keine im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung:

  • Das Rekursgericht ist von einem Verbraucher ausgegangen, der weder besondere Aufmerksamkeit, intensive Vorbereitung auf den Kauf noch längere Zeit aufwendet.
  • Die angesprochenen Verkehrskreise umfassen zahlreiche Personen, die weder eine wirtschaftliche Ausbildung noch ein wirtschaftliches Verständnis aufweisen, sodass ihnen die Berechnung der Mehrwertsteuer und die Konsequenzen eines Rabattes in der Höhe der Mehrwertsteuer fremd sind. Damit dürften die trotz des identen Absolutbetrages voneinander abweichenden Prozentsätze des Rabattes auf den Bruttopreis (16,67%) und der Mehrwertsteuer auf den Nettopreis (20%) gemeint sein.
  • Der OGH betrachtet diese Argumentationsgrundlage des Rekursgerichtes unter Verweis darauf als vertretbar, dass die Werbung an ein breites Publikum gerichtet war (Fernsehen, Radio, Internet, Tageszeitungen, Postwurfsendungen) und das sehr breit gefächerte Warenangebot der Beklagten auch günstige, Spontankäufen zugängliche Klein- und Billigmöbel umfasst, bei denen vor einer Kaufentscheidung wenig überlegt wird.

Die Ankündigung „20% Mehrwertsteuer geschenkt, auf ein Möbelstück Ihrer Wahl“ wird von einem solchen Durchschnittsverbraucher dahingehend verstanden, dass beim Kauf eines Möbelstücks ein Rabatt in Höhe der im Bruttoverkaufspreis enthaltenen Mehrwertsteuer gewährt wird, und zwar im Zweifel sofort beim Ankauf. Das Rekursgericht hat diese Ankündigung als irreführend qualifiziert, weil tatsächlich kein Rabatt, sondern ein erst bei einem weiteren Einkauf einlösbarer Gutschein gewährt wird. Diese Rechtsansicht ist laut OGH jedenfalls vertretbar.

Die Aufklärung in einem Fernsehwerbespot bloß durch eine wenige Sekunden lange Einblendung am Ende des Spots oder durch ein leicht zu übersehendes Sternchen bei der blickfangartigen Ankündigung (ohne akustischen Hinweis) ist ungenügend, weil ein solcher Hinweis von den Verbrauchern nicht wahrgenommen wird und daher die Täuschung nicht verhindern kann (RIS-Justiz RS0118488).

Auf die Frage, weshalb darauf hingewiesen werden muss, dass der Erlass der Mehrwertsteuer auf ein Produkt schlussendlich zu einem Rabatt von nur 16,67% des Bruttoverkaufspreises führt, ist der OGH nicht gesondert eingegangen. Der Verweis auf das wirtschaftliche Unverständnis zahlreicher Personen, die vom Durchschnittsverbraucherbegriff umfasst sind, deutet aber darauf hin, dass die Angabe der „geschenkten 20%“ vom OGH insofern als irreführend eingestuft wird, als gedanklich vom Bruttopreis wohl häufig 20% (anstelle von richtig 16,67%) abgezogen werden.

Die Entscheidung des OGH ist nachvollziehbar. Der durchschnittliche Verbraucher wird sich bei der gewählten Ankündigung wohl einen Rabatt auf das erworbene Produkt selbst erwartet haben und nicht bloß einen Gutschein auf weitere Einkäufe. Für den durchschnittlichen Verbraucher, der ein Möbelhaus kaum jede Woche aufsucht, wird darin auch ein ganz erheblicher Unterschied bestehen. Hilfreich ist die Entscheidung insbesondere, weil sie die Festlegung der Maßfigur eines Durchschnittsverbrauchers, die je nach Situation variieren kann, in Erinnerung ruft.

 

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