Neue Kunden des Unternehmers, nicht des Handelsvertreters!

Kurze Bemerkung zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters –                        OGH 26.4.2016, 6 Ob 54/16h

Ein Tankstellenpächter (Handelsvertreter) macht gegen den Mineralölunternehmer einen Ausgleichsanspruch (§ 24 Handelsvertretergesetz) geltend. Das Erstgericht stellt einen gewissen Stammkundenanteil des Klägers fest und qualifiziert alle Stammkunden als neue bzw. „intensivierte“ Kunden im Sinne des § 24 Abs 1 Z 1 Handelsvertretergesetz. Dem Kläger kommt dies naturgemäß sehr entgegen.

Das Berufungsgericht hebt die Entscheidung auf: Das Erstgericht habe offenbar nur geprüft, ob die Kunden für den Handelsvertreter neu gewesen seien. Rechtlich entscheidend sei hingegen, ob die Kunden für den Unternehmer neu gewesen seien. Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung (OGH 8 ObA 299/01f) liege aber auch bereits im Offenhalten und Betreiben einer Tankstelle ein Zuführen neuer Kunden. Insoweit bestehe womöglich ein Widerspruch. Aufgrund dieser Überlegung lässt das Berufungsgericht den Rekurs an den OGH zu (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO).

 

OGH: Rekurs nicht zulässig

Der OGH hat den Rekurs als nicht zulässig zurückgewiesen und die Rechtsansicht des Berufungsgerichts bestätigt.

Aufgrund ihrer Klarheit und der damit einhergehenden Beseitigung eines auf Seiten des Berufungsgerichtes aufgetretenen Missverständnisses verdienen es die höchstgerichtlichen Ausführungen, wiedergegeben zu werden:

 

Frage Nr. 1: Neuer Kunde?

Der Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters setzt voraus, dass „der Handelsvertreter dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat“ (§ 24 Abs 1 Z 1Handelsvertretergesetz, vgl. auch diesen grundlegenden Beitrag zu Anspruchsvoraussetzungen und Berechnung). Der Unternehmer darf mit einem Kunden zu Beginn des Handelsvertreterverhältnisses noch nicht in Geschäftsbeziehung gestanden sein, damit ein Kunde als „neu“ gelten kann (OGH 9 ObA 24/08g). Es geht also eindeutig darum, ob der Kunde für den Unternehmer neu ist. Kunden, die schon vorher regelmäßig bei anderen Tankstellen desselben Mineralölunternehmers getankt haben, können keine „neuen Kunden“ im Sinne des § 24 Abs 1 Z 1 Handelsvertretergesetz sein (Verweis des OGH auf Nocker, Handelsvertretergesetz² § 24 Rz 460).

Bei der Frage, ob ein Kunde als „neuer Kunde“ in diesem Sinne qualifiziert werden kann, handelt es sich laut OGH um eine Tatfrage, weil die Frage einem Beweisverfahren zugänglich ist. Die Lösung dieser Tatfrage durch das Erstgericht hat das Berufungsgericht nicht überzeugt. Der OGH teilt die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes.

 

Frage Nr. 2: Ursächlichkeit des Handelsvertreters?

Erst wenn ein Kunde als „neuer Kunde“ qualifiziert wurde, ist zu prüfen, ob der Handelsvertreter für die Zuführung dieses Kunden auch kausal war. Dabei reicht freilich eine Mitursächlichkeit (OGH 8 ObA 299/01f).

Das vom OGH in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung (OGH 8 ObA 299/01f) ins Treffen geführte Betreiben und Offenhalten der Tankstelle ist nur dazu geeignet, die (zweite) Frage nach der Ursächlichkeit zu bejahen. Hingegen betrifft diese Rechtsprechung nicht die (erste) Frage, ob ein Kunde überhaupt als „neuer Kunde“ qualifiziert werden kann. Die diesbezüglichen Zweifel des Berufungsgerichtes, aufgrund derer der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zugelassen wurde, sind laut OGH daher unberechtigt.

 

Mit anderen Worten:

  1. „Neue Kunden“ sind nur jene Kunden, die für den Unternehmer neu sind.
  2. Erst wenn ein Kunde des Handelsvertreters als „neuer Kunde“ des Unternehmers zu qualifizieren ist, dann ist auf der Ebene der Ursächlichkeit schon das Betreiben und Offenhalten der Tankstelle ausreichend, um eine Zuführung dieses Kunden an den Unternehmer durch den Handelsvertreter (§ 24 Abs 1 Z 1 Handelsvertretergesetz) und somit die erwähnte Ursächlichkeit annehmen zu können.

 

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