OLG Wien: Grand Hotel Wien vs. Grand Ferdinand

OLG Wien 23.12.2015, 4 R 189/15s

Die Klägerin betreibt auf der Wiener Ringstraße ein Hotel und tritt am Markt unter den Geschäftsbezeichnungen „Grand Hotel Wien“ und „Grand Hotel“ (Letzteres ist strittig) auf, und zwar zumindest seit 1. August 2002. Sie hat auch das Wort „Grand“ enthaltende Wortbildmarken und die Domain www.grandhotelwien.at registriert. Die Beklagte hat in unmittelbarer Nähe, ebenfalls auf der Wiener Ringstraße, am 2. Oktober 2015 das Hotel „Grand Ferdinand“ eröffnet und verwendet die Domain www.grandferdinand.com, nicht hingegen die Geschäftsbezeichnung „Grand Hotel“.

Das Verfahren bietet eine willkommene Gelegenheit, die bei der Verletzung von Rechten an Zeichen jeglicher Form (Marken, Geschäfts- oder Etablissementbezeichnungen) häufig bedeutsamen Tatbestandsmerkmale der Verwechslungsgefahr und des dafür bedeutsamen rein beschreibenden Charakters eines Zeichens anhand eines Beispiels näher zu bringen.

 

Begehren und Vorbringen

  1. Die Klägerin wollte der Beklagten – verkürzt – verbieten, das Wort „Grand“ oder eine damit verwechselbar ähnliche Bezeichnung alleinstehend oder kombiniert mit vor- oder nachstellten Wörtern zu verwenden, und hat eine entsprechende einstweilige Verfügung beantragt.
  2. Außerdem begehrt die Klägerin die Löschung der Domain www.grandferdinand.com und die Beseitigung sämtlichen Werbematerials und sämtlicher Unterlagen, auf denen das Wort „Grand“ angebracht ist.

Die Klägerin stützt dieses Begehren insbesondere auf § 9 UWG und auf ihre Wortbildmarken und macht geltend, dass weder „Grand Hotel Wien“ noch „Grand Hotel“ rein beschreibenden Charakter hätten und beide Bezeichnungen Verkehrsgeltung besäßen. Das Hotel verwende diese Bezeichnungen bereits seit 1870, die Beklagte die verwechselbar ähnliche Bezeichnung „Grand Ferdinand“ erst seit 2015. Das Wort „Grand“ sei bei beiden Bezeichnungen der charakteristische, auffallende Bestandteil, hinter dem der Rest zurückbleibe.

Die Beklagte hat demgegenüber den rein beschreibenden Charakter des Zusatzes „Grand“ betont, Vorbringen zur behaupteten Verkehrsgeltung bemängelt und außerdem darauf hingewiesen, dass per einstweiliger Verfügung die Löschung einer Domain und die Vernichtung von Werbematerial nicht angeordnet werden kann, weil dies das Ergebnis des Hauptverfahrens vorwegnähme.

 

Entscheidungen der Gerichte und Würdigung

Sowohl das Handelsgericht Wien als auch das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht haben den Antrag der Klägerin auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Gänze abgewiesen.

Das OLG Wien nimmt auf die Rechtsprechung des OGH Bezug, wonach bei Wortbezeichnungen eine Verwechslungsgefahr dann vorliege, wenn die fraglichen Zeichen in Wortklang, Wortbild oder Wortsinn einander so nahe kommen, dass Verwechslungen im Verkehr entstehen können (RIS-Justiz RS0079571). Dabei sind die die beiden Zeichen unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen.

Dies auf den verfahrensgegenständlichen Fall umgelegt, hat das OLG Wien ausgeführt, dass entgegen den Behauptungen der Klägerin das Wort „grand“ rein beschreibenden Charakter habe und in keiner Weise hervorsteche, sondern durch die weiteren Zeichenbestandteile („Hotel“ und „Hotel Wien“ bzw. „Ferdinand“) überlagert werde, sodass die Begehren der Klägerin schon an der Verwechslungsgefahr scheitern würden. Selbst bei flüchtiger Betrachtung kämen die angesprochenen Verkehrskreise nicht auf die Idee, die beiden Hotels würden vom selben Unternehmen betrieben oder ihre Betreiber stünden in einem wirtschaftlichen oder organisatorischen Zusammenhang.

Diese Rechtsauffassung ist zweifellos zutreffend. Bei dem Wort „Grand“ im Zusammenhang mit einem Hotel der gehobenen Kategorie handelt es sich geradezu um ein Paradebeispiel für einen rein beschreibenden Zusatz, der im Vergleich zum Rest der Geschäftsbezeichnungen in den Hintergrund treten muss. Die Kennzeichnungskraft ist daher so gering, dass eine Verwechslungsgefahr schon durch eine geringe Abweichung der Zeichen ausgeschlossen wird (vgl. für einen Überblick: Wiltschek/Horak, UWG, 8. Auflage, § 9 E 2101 ff).

Hinzu komme, dass sich das „Grand“ im Falle der Klägerin auf das Hotel selbst, im Falle der Beklagten aber auf den Eigennamen „Ferdinand“ beziehe, sodass auch der Sinngehalt voneinander abweicht. Auch diese Erwägung ist nicht zu beanstanden.

Im Ergebnis haben beide Gerichte den Unterlassungsanspruch der Klägerin zutreffend schon ausgehend vom Vorbringen der Klägerin mangels Verwechslungsgefahr verneint.

 

Exkurs: Zu den Begehren auf Löschung und Vernichtung

Bemerkenswert ist außerdem, dass die unter 2. begehrte Löschung der Domain im Provisorialverfahren wohl jedenfalls – also auch bei einer Bejahung der Verwechslungsgefahr – nicht aufgetragen worden wäre:

  • Die Löschung einer Domain kann – wenn überhaupt – nur dann begehrt werden, wenn es keine legale Nutzungsmöglichkeit aus Sicht des Domaininhabers gibt, was in der Regel nur bei bekannten Marken gemäß § 10 Abs 2 Markenschutzgesetz der Fall sein kann (RIS-Justiz RS0122725). In allen übrigen Fällen ist ein Verbot der weiteren Nutzung der Domain – auch im Hauptverfahren – das höchste der Gefühle.
  • Im Provisorialverfahren ist die Löschung im Übrigen schon deshalb ausgeschlossen, weil damit ein nicht revisibler Zustand geschaffen würde (so die ständige Rechtsprechung: OGH 13.9.1999, 4 Ob 180/99w – format.at; OGH 13.9.2000, 4 Ob 166/00s – fpo.at; OGH 8.7.2003, 4 Ob 153/03h; vgl auch Wiltschek/Horak, UWG, 8. Auflage, § 24 E 173 f).

Auch die unter 2. begehrte Vernichtung von Werbematerialien wäre mit einer einstweiligen Verfügung in keinem Fall angeordnet worden, weil damit dem Ergebnis des Hauptverfahrens vorgegriffen worden wäre (vgl. Wiltschek/Horak, UWG, 8. Auflage, § 24 E 151 ff). Der mit einer einstweiligen Verfügung verfolgte Sicherungszweck könnte schließlich mit der Anordnung, die Werbematerialien nicht weiter zu verwenden, im selben Ausmaß erreicht werden.

Insofern ist der gesamte zweite Teil des Begehrens überschießend und hätte in dieser Form auch bei Bejahung der Verwechslungsgefahr nicht erlassen werden können. Fraglich ist, ob das, was im Falle der Bejahung der Verwechslungsgefahr ausgehend von der herrschenden Rechtsprechung erreicht hätte werden können, ein reines „Minus“ im Vergleich zu den gestellten Begehren darstellt, oder nicht, und daher auch ohne entsprechende Eventualbegehren erlassen hätte werden können (§ 405 ZPO):

  • Hinsichtlich der Domain spricht die Entscheidung OGH 8.7.2003, 4 Ob 153/03h eher dagegen. Dort hat der OGH das Sicherungsbegehren auf Löschung der Domain bzw. auf Einwilligung in die Löschung der Domain abgewiesen, ohne zu prüfen, ob in diesem Begehren – als Minus – nicht vielleicht die Untersagung der weiteren Benützung enthalten war. Auch zur Firma judiziert der OGH, dass die Unterlassung des Gebrauchs im Vergleich zur begehrten Löschung kein „Minus“, sondern ein „Aliud“ darstellt, das aufgrund § 405 ZPO nicht zugesprochen werden kann (Wiltschek/Horak, UWG, 8. Auflage, § 14 E 589.). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass jedenfalls auch die Untersagung der weiteren Benützung der Domain begehrt werden muss.
  • Bei der begehrten Vernichtung stellt sich dasselbe Problem: Auf Grundlage einer begehrten Vernichtung darf nach der Rechtsprechung des OGH nicht bloß die vorläufige Verwahrung begehrt werden (Wiltschek/Horak, UWG, 8. Auflage, § 24 E 227., das ist OGH 27.11.2001, 4 Ob 273/01b). Es ist davon auszugehen, dass ein auf Vernichtung/Beseitigung gerichtetes Begehren von den Gerichten nicht schon zum Anlass genommen wird, die bloße Benützung zu untersagen.

Im Ergebnis macht diese Entscheidung deutlich, dass auf die richtige Fassung der Begehren viel Wert zu legen ist. Im Zweifelsfalle sollte an Eventualbegehren nicht gespart werden.

 

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