OGH: Kündigung eines Kfz-Werkstattvertrages wegen mangelnder Kundenzufriedenheitswerte sachlich gerechtfertigt

OGH 19.3.2013, 4 Ob 205/12v und OGH 16.6.2015, 4 Ob 255/14z

Aufgrund der identen Parteienbezeichnungen liegt die Annahme nahe, dass hier dieselbe Rechtssache gleich zweimal vor dem OGH gelandet ist, nämlich sowohl im Provisorialverfahren über die beantragte einstweilige Verfügung als auch im Hauptverfahren. Geklagt hatte eine Kfz-Werkstatt, der die Beklagte – die österreichische VW-Vertriebstochtergesellschaft – den VW-Werkstattvertrag ordentlich gekündigt hatte. Dagegen wehrte sich die Klägerin mit einer Klage samt Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Der Beklagten sollte aufgetragen werden, den VW-Werkstattvertrag fortzusetzen.

Die Klägerin machte geltend, dass die Beklagte den relevanten Markt beherrsche (vgl. die Rechtsansicht der Europäischen Kommission zur markenspezifischen Marktabgrenzung im Kfz-Aftersales-Bereich) und diese marktbeherrschende Stellung durch die ordentliche Kündigung missbraucht habe. Bekanntlich trifft den Marktbeherrscher ja ein Kontrahierungszwang und ein Verbot, bestehende Verträge grundlos aufzulösen.

Die Beklagte brachte als sachliche Rechtfertigung der Kündigung die schlechten Kundenzufriedenheitswerte der Klägerin ins Spiel. Das OLG Linz als Rekurs- bzw. Berufungsgericht und der OGH folgten diesem Argument: Die Klägerin scheiterte sowohl im Provisorialverfahren als auch im Hauptverfahren, weil die Gerichte die Kündigung des VW-Werkstattvertrages aufgrund der mangelnden Kundenzufriedenheit als sachlich gerechtfertigt ansahen.

 

Begründung der Entscheidungen und Würdigung

Der Sachverhalt lässt sich den beiden Entscheidungen nicht im Detail entnehmen, weil sich der OGH im Hinblick auf die Zurückweisung der jeweils außerordentlichen Rechtsmittel auf eine kursorische Begründung beschränkt hat. Insbesondere bleibt die Frage unbeantwortet, ob die Beklagte tatsächlich den relevanten Markt beherrscht, weil die Kündigung ohnehin als gerechtfertigt angesehen wurde.

 

1.) Provisorialverfahren:

Der im Provisorialverfahren ergangenen Entscheidung 4 Ob 205/12 lässt sich aber entnehmen, dass die Klägerin in einem Kundenzufriedenheitsranking von 278 Betrieben nur auf Platz 275 gelegen sei. Schon aus diesem Grunde sah das OLG Linz als Rekursgericht die Kündigung als gerechtfertigt an, was der OGH „aufgrund des anzuerkennenden Interesses der Beklagten an einem tadellosen Image ihrer Marke“ als vertretbar beurteilte.

Dieses Argument kann insofern nicht überzeugen, als demnach schon eine relativ schwache Kundenzufriedenheit Grund genug sein soll, den Werkstattvertrag zu kündigen. Es drängt sich förmlich die Frage auf, ob denn der 275. Platz in diesem Ranking auch dann für eine Kündigung gereicht hätte, wenn die Werte in absoluter Hinsicht passabel gewesen wären, etwa weil alle 278 Betriebe ausgezeichnete bis passable Kundenzufriedenheitswerte aufweisen. Im Ergebnis kann  eine Kündigung nicht schon aufgrund einer schlechten Platzierung in einem Ranking gerechtfertigt sein. Von Bedeutung können nur die absoluten Kundenzufriedenheitswerte sein und über die gibt zumindest diese Entscheidung 4 Ob 205/12v keine Auskunft.

Im Übrigen ist aus Sicht eines Herstellers bzw Importeurs auch insofern Vorsicht geboten, als die Gerichte die Aufmerksamkeit auf die Frage lenken könnten, weshalb denn der Werkstattvertrag des auf dem 275. Platz gelegenen Betriebes, nicht aber jener des auf dem 276. Platz gelegenen Betriebes gekündigt wurde. Dafür mag es Erklärungen geben, allerdings sollten diese auch plausibel klingen. Andernfalls könnte der Schluss nahe liegen, dass womöglich nicht alle Kriterien unterschiedslos auf alle Vertragspartner angewendet werden und kein qualitativer Selektivvertrieb mehr vorliegt. Die Begründung des OGH legt nahe, dass die Klägerin dies unter Verweis auf den EuGH (Urt. v. 14.6.2012, Rs C-158/11 – Auto 24 SARL/Jaguar Land Rover France) auch vorgebracht hat, der OGH hat seine Erwägungen, weshalb keine uneinheitliche Anwendung der Kriterien (Diskriminierung) vorliege, allerdings nicht näher vertieft.

 

2.) Hauptverfahren:

Im Hauptverfahren 4 Ob 255/14z verwies der OGH vor allem darauf, dass die vertraglich vereinbarten Standards von der Klägerin nicht erfüllt worden waren. Später wird dann aber erneut auf die Kundenzufriedenheitswerte Bezug genommen:

„Wenn die Beklagte im vorliegenden Fall die ordentliche Kündigung unter anderem mit schlechten Kundenzufriedenheitswerten des Betriebs des Klägers begründete, so ist darin weder ein nicht erforderliches Kriterium, noch eine uneinheitliche Anwendung bzw eine Diskriminierung zu erkennen.“

Dieses Argument ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert:

  1. Zum einen geht es nun – zumindest dem Wortlaut nach – um schlechte Kundenzufriedenheit in absoluter Hinsicht und nicht um die schlechte Platzierung in einem Kundenzufriedenheitsranking (in relativer Hinsicht), die ja zumindest streng genommen nicht auch gleich einen schlechten absoluten Wert impliziert.
  2. Zum anderen klingt dieses Argument des OGH, als ob eine ausreichend gute Kundenzufriedenheit ein zulässiges Kriterium bei der qualitativen Selektion sei, also ein Qualitätsstandard, den eine Werkstatt einzuhalten hat (wie etwa auch die ausreichende Fachkenntnis). Damit geht der OGH einen Schritt weiter: Mangelnde Kundenzufriedenheit ist nicht mehr nur ein Kündigungsgrund für den Marktbeherrscher (vgl. etwa den Vertrauensverlust), sondern ein Verstoß gegen die vom Hersteller/Importeur zulässigerweise geforderten Mindeststandards. Aus geschäftlicher Sicht des Herstellers mag das Bestreben nach Kundenzufriedenheit verständlich sein, die Beschaffenheit der Ware „Kraftfahrzeug“ und der Dienstleistung „Kundendienst“ erfordert aber keine ausreichend hohe Kundenzufriedenheit. Dabei handelt es sich auch kaum um ein objektives Kriterium qualitativer Art (dazu Nolte in Langen/Bunte, Kartellrecht II, 12. Auflage, Nach Art. 101 AEUV, Rn 518), sondern um das Ergebnis einer mehr oder weniger repräsentativen Befragung. Eine Werkstatt mag schlechte Kundenzufriedenheitswerte haben, aber dennoch qualitativ einwandfreie Arbeit abliefern.

Im Ergebnis müssen Kfz-Werkstätten also auf der Hut sein. Zu schlechte Kundenzufriedenheitswerte – ob absolut oder relativ – können eine ordentliche Kündigung des Werkstattvertrages rechtfertigen. Die Begründung im Einzelnen bietet zwar Angriffsfläche, im Ergebnis ist die Rechtsansicht des OGH aber wohl jedenfalls vertretbar, zumal relativ schlechte Kundenzufriedenheit mit absolut schlechter Kundenzufriedenheit in aller Regel Hand in Hand geht.

 

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