„Keinstaub“ vs „Feinstaub“ – Unlauter werbender Wirtschaftskammerfachverband

KeinstaubOGH 17.11.2015, 4 Ob 129/15x

Beklagt war ein in der Wirtschaftskammer angesiedelter Fachverband. Mitglieder dieses Fachverbandes sind u.a. Unternehmen aus der Fernwärmebranche. Die Aufgabe des Fachverbandes war es auch, für Fernwärme zu werben.

Unter dem Slogan „Keinstaub“ auf grünem Grund bewarb der beklagte Fachverband das Heizen mit Fernwärme. Er stellte dies dem „Feinstaub“, der bei herkömmlichen Heizlösungen entsteht, auf rotem Grund gegenüber. Heizen sei gesundheitsgefährdend, Heizen mit Fernwärme senke hingegen die Feinstaubbelastung.

Die Klägerin war ein Herstellerin von Kaminen, die für alle Brennstoffe geeignet sind. Sie begehrte, es dem beklagten Fachverband zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr

  1. den unrichtigen Eindruck zu erwecken, dass Heizen mit Fernwärme von allen Heizsystemen die geringste Feinstaubbelastung verursacht, und/oder
  2. Vergleiche zwischen der durch Fernwärme einerseits und durch andere Heizsysteme andererseits verursachten Feinstaubbelastung anzustellen, ohne gleichzeitig ausreichend deutlich darüber aufzuklären, dass bei aus Biomasse hergestellter Fernwärme die Feinstaubbelastung deutlich höher als bei den übrigen Fernwärmeanlagen ist, und/oder
  3. die Hersteller von anderen Heizsystemen als Fernwärme mit der Behauptung „Feinstaub Heizen kann Ihre Gesundheit und die Gesundheit Ihrer Mitmenschen gefährden“ oder mit ähnlichen Behauptungen pauschal herabzusetzen und/oder
  4. insbesondere in der eingangs dargestellten Weise zu werben.

Festgestellt war insbesondere, dass der Rückgang der Feinstaubbelastung in österreichischen Ballungszentren in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten u.a. auf den Ausbau der Fernwärmenetze zurückzuführen ist. Festgestellt war aber auch, dass mittlerweile knapp die Hälfte der Fernwärme aus Biomasse gewonnen wird und dass dabei deutlich mehr Feinstaub entsteht als bei der Verbrennung anderer fossiler Brennstoffe.

 

Abweisung des Sicherungsbegehrens in den Unterinstanzen

Das Handelsgericht Wien wies das Sicherungsbegehren der Klägerin zur Gänze ab. Es bezweifelte die Aktivlegitimation des Klägerin, weil sie mit dem Fachverband in keinem Wettbewerbsverhältnis stand, und war außerdem der Meinung, die oben abgebildete Grafik würde vom Durchschnittsverbraucher dahingehend verstanden, dass ein mit Fernwärme beheiztes Haus nicht unmittelbar Feinstaub emittiere.

Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Handelsgerichtes, wenngleich mit anderer Begründung: Es bejahte die Aktivlegitimation, weil der beklagte Fachverband fremden Wettbewerb fördere. Außerdem lehnte es die Ansicht des Erstgerichts ab, wonach der Durchschnittsverbraucher „Keinstaub“ nur auf sein Haus beziehe. Es sei offensichtlich, dass mit der oben abgebildeten Werbung die insgesamt durch Fernwärme entstandene Feinstaubbelastung gemeint sei. Allerdings sei die Feinstaubbelastung tatsächlich u.a. wegen des Ausbaus des Fernwärmenetzes gesunken, weshalb die mit der Werbung des beklagten Fachverbandes getätigte Aussage weder unrichtig noch irreführend sei.

 

Entscheidung des OGH

Der OGH änderte die Entscheidung der Unterinstanzen ab und gab dem Klagebegehren in den Punkten 1., 2. und 4. Folge. Die Abweisung des Klagebegehrens zu 3. wurde hingegen bestätigt.

Zunächst hielt er fest, dass eine der Kernaufgaben des beklagten Fachverbandes die Bewerbung von Fernwärme sei, was zur Förderung des fremden Wettbewerbs geeignet sei, ohne dass eine andere Zielsetzung überwiege (OGH 4 Ob 7/15f). Die Fernwärmeanbieter würden mit der Klägerin im Wettbewerb stehen, schließlich richte sich die Werbung zumindest auch an die Errichter von privaten Eigenheimen. Daher sei die Klägerin – wie schon vom Berufungsgericht angenommen – sehr wohl aktivlegitimiert.

Außerdem teilte der OGH die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die oben abgebildete Werbung beim verständigen Durchschnittsverbraucher nicht den Eindruck erwecke, die geringe Feinstaubbelastung beziehe sich auf das schlussendlich beheizte Haus, sondern auf die Fernwärmeversorgung als Ganzes.

In weiterer Folge betonte der OGH, dass der Slogan „KEINSTAUB“ nahe lege, dass es beim Heizen mit Fernwärme zu überhaupt keiner Feinstaubbelastung komme. Jedenfalls deute „KEINSTAUB“ darauf hin, dass die von Fernwärmeheizungen bewirkte Feinstaubbelastung  vergleichsweise sehr gering oder überhaupt die geringst Mögliche sei. All dies sei unrichtig.

Im Übrigen sei nicht einmal erwiesen, dass Heizen mit Fernwärme die Feinstaubbelastung unter allen Umständen senken kann. Dies mag der Fall sein, wenn ohnehin entstehende Wärme genutzt wird (Müllverbrennungsanlage, industrielle Abwärme, etc.), wird im Falle der Verbrennung von Biomasse, die immerhin 46% der Fernwärmeversorgung ausmacht, allerdings ins Gegenteil verkehrt. Die Werbung ist insofern auch irreführend unvollständig.

Systemvergleiche müssen nach ständiger Rechtsprechung wahr, sachlich und informativ sein. Die Beweislast für die Richtigkeit vergleichender Werbung trifft den Werbenden (OGH 4 Ob 94/14y). Dieser Beweis ist dem beklagten Fachverband nicht gelungen.

 

Würdigung

Die Ausführungen des OGH zur Irreführungseignung und Unlauterkeit der oben abgebildeten Werbung überzeugen. In rechtlicher Hinsicht bringt diese Entscheidung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehenden oder bahnbrechend neuen Erkenntnisse, allerdings zeigt sie auf verständliche Weise und anhand eines kurzweiligen Sachverhalts, worauf bei vergleichender Werbung zu achten ist.

Erwähnenswert ist der Umstand, dass die irreführende und unrichtige Bewerbung der Fernwärmeversorgung fremden Wettbewerb zu fördern geeignet war und diese Bewerbung auch keinem anderen Zweck gedient hat, sodass die Klägerin aktivlegitimiert und der Fachverband passivlegitimiert war.

 

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