Weshalb die Offenlegung von Bezugsquellen auch beim Selektivvertrieb eine Marktabschottung nicht begünstigt – eine detaillierte Untersuchung

Rechtsprechung zur Beweislast für die markenrechtliche Erschöpfung

EuGH, BGH und OGH judizieren in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung, dass die Beweislast für die markenrechtliche Erschöpfung jedenfalls den Markeninhaber treffen müsse, wenn die Beweispflicht des belangten Dritten (vermeintlichen Markenrechtsverletzer) die Gefahr einer Abschottung der nationalen Märkte und insofern eine Verletzung des Grundsatzes des freien Warenverkehrs bedeuten würde (EuGH Rs C-244/00 „van Doren“; BGH I ZR 52/10, I ZR 26/10; OGH 17 Ob 16/09s; für die herrschende Lehre: vgl Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz11 § 24 Rz 44 mwN).

Dieser Beitrag soll zeigen, dass BGH und OGH falsch liegen, wenn sie der Beweispflicht eines netzfremden Händlers im Falle eines selektiven Vertriebssystems ohne weitere Prüfung attestieren, eine Abschottung der nationalen Märkte zu begünstigen.

Um zu dem vom EuGH unter Berufung auf den Grundsatz des freien Warenverkehrs geforderten Ergebnis zu gelangen, kehren der BGH und der OGH die generell dem belangten Dritten auferlegte Beweislast um.

Der BGH hat diese Beweislastumkehr nun schon mehrfach damit begründet, dass die Offenlegung der Bezugsquelle des belangten Dritten, wozu dieser zum Beweis der markenrechtlichen Erschöpfung in der Regel gezwungen wäre, im Falle eines selektiven Vertriebssystems eine Marktabschottung begünstige. Der OGH hat mit derselben Begründung ein Begehren auf Auskunft über den Vertriebsweg gemäß § 55a Markenschutzgesetz als unverhältnismäßig abgewiesen.

EuGH

Die markenrechtliche Relevanz einer drohenden Marktabschottung bestätigt hat der EuGH in der Rechtssache „van Doren“ (EuGH Rs C-244/00 „van Doren“). Der BGH hatte den EuGH mit der Frage befasst, ob es zulässig sei oder dem Grundsatz des freien Warenverkehrs zuwider laufe, wenn die Beweislast für die Erschöpfung eines Markenrechts durch Inverkehrbringen im EWR mit Zustimmung des Markeninhabers den belangten Dritten trifft, also den vermeintlichen Markenrechtsverletzer. Der EuGH hat ausgesprochen, dass eine solche Verteilung der Beweislast zwar grundsätzlich zulässig sei, aber zum Schutz des freien Warenverkehrs jedenfalls dann umgekehrt werden müsse, wenn der belangte Dritte nachweisen könne, dass ohne Beweislastumkehr die Gefahr der Abschottung der nationalen Märkte bestünde, weil etwa grenzüberschreitende Lieferungen unterbunden werden könnten (EuGH Rs C-244/00 „van Doren“, Rn 41). Denn eine Gefahr der Abschottung der nationalen Märkte durch Begünstigung von Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten laufe dem Schutz des freien Warenverkehrs zuwider (EuGH Rs C-244/00 „van Doren“, Rn 38). Im verfahrensgegenständlichen Fall war die Klägerin als Generalimporteurin für Deutschland alleinvertriebsberechtigt. Für sämtliche Mitgliedstaaten waren alleinvertriebsberechtigte Generalimporteure bestellt. Ihnen war jeweils untersagt, Zwischenhändler außerhalb ihres Vertragsgebiets (also ihres Mitgliedstaats) zu beliefern (ausschließliches Vertriebssystem). Die Argumentation des EuGH war insofern überzeugend, als die Beweislast des belangten Dritten stets zur Folge gehabt hätte, dass dieser zum Beweis der Erschöpfung seine Bezugsquelle nennen muss, die der Markeninhaber dann aber zum Versiegen hätte bringen können. Querlieferungen zwischen den Mitgliedstaaten hätten aufgrund des eingerichteten ausschließlichen Vertriebssystems auf diese Weise unterbunden werden können, wodurch unterschiedliche Preisniveaus begünstigt und der freie Warenverkehr behindert worden wäre.

 

BGH

Der BGH ist der Argumentation des EuGH in seiner Entscheidung (BGH 23.10.2003, I ZR 193/97) gefolgt.

Schon wenig später hat der BGH diese Argumentation des EuGH allerdings missverstanden: Die Entscheidung I ZR 217/03 zu unberechtigten Schutzrechtsverwarnungen durch die Beklagte mag im Ergebnis richtig gewesen sein. In seiner Begründung hat sich der BGH jedoch u.a. auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „van Doren“ berufen, obwohl der vor dem BGH anhängigen Rechtssache ein selektives Vertriebssystem – und kein ausschließliches Vertriebssystem – zugrunde lag (BGH 19.1.2006, I ZR 217/03): Den Vertragshändlern war zwar untersagt, an Händler außerhalb des Vertriebssystems zu liefern, was in der Natur eines selektiven Vertriebssystems liegt (Art 1 Abs 1 lit e Vertikal-GVO Nr. 330/2010), es war ihnen hingegen nicht untersagt, an Händler außerhalb eines bestimmten Vertragsgebiets oder Mitgliedstaats zu liefern. Für eine drohende Einschränkung der grenzüberschreitenden Lieferungen oder eine drohende Abschottung der nationalen Märkte aufgrund der Preisgabe des Lieferanten gab es daher keinen Anhaltspunkt. Insofern war der Verweis des BGH auf den EuGH in der Rechtssache „van Doren“ verfehlt.

In seiner Entscheidung I ZR 52/10 hat der BGH unter Verweis auf die soeben erwähnte Entscheidung I ZR 217/03 erneut behauptet, schon durch das Verbot von Lieferungen an Händler außerhalb des Vertriebssystems drohe eine Marktabschottung (BGH I ZR 52/10). Dieses Verbot ist einem selektiven Vertriebssystem freilich wesensimmanent (Art 1 Abs 1 lit e Vertikal-GVO  Nr.330/2010). Begründet hat der BGH diesen zweifelhaften Befund wieder nicht. Unbeantwortet blieb insbesondere die Frage, inwiefern eine Marktabschottung ohne Verbot von Lieferungen an Händler außerhalb des Vertragsgebiets überhaupt eintreten kann. Auf das Ergebnis des Rechtsstreits hatte dieser Aspekt freilich keinen Einfluss, weil ohnehin kein vertragliches Verbot festgestellt war.

Nur kurz zuvor hatte der BGH eine Beweislastumkehr bei der Erschöpfung des Markenrechts hingegen verneint (BGH I ZR 26/10): Eine Abschottung von nationalen Märkten mit dem Zweck der Begünstigung von Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten habe nicht gedroht. Verfahrensgegenständlich war kein selektives, sondern ein geschlossenes Vertriebssystem. Wenn nun aber laut dieser Entscheidung sogar bei einem geschlossenen Vertriebssystem keine Abschottung der nationalen Märkte droht, so kann dies für ein selektives Vertriebssystem umso weniger gelten. Schließlich lässt ein selektives Vertriebssystem ein weit größeres Maß an markeninternem Wettbewerb zu als ein geschlossenes Vertriebssystem.

 

OGH

Der OGH hat zunächst auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „van Doren“ Bezug genommen und deren Inhalt richtig wiedergegeben (OGH 17 Ob 16/09s). Die Beweislast für die Erschöpfung hat der OGH – in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0113316) – dem belangten Dritten auferlegt, solange der nicht bewiesen habe, dass ohne Beweislastumkehr eine Abschottung der nationalen Märkte drohe (BGH I ZR 193/97).

Später hat der OGH behauptet, die Gefahr einer Marktabschottung durch die erzwungene Offenlegung der Bezugsquelle des belangten Dritten setze nicht zwingend ein ausschließliches Vertriebssystem voraus, sondern liege auch bei einem selektiven Vertriebssystem vor (OGH 4 Ob 170/15a). Er hat sich dabei auf eine oben erwähnte Entscheidung des BGH (BGH I ZR 52/10) und auf Hacker (in Ströbele/Hacker, Markengesetz11 § 24 Rz 44) berufen und daraus auf die Unverhältnismäßigkeit des streitgegenständlichen Auskunftsbegehrens nach § 55a Markenschutzgesetz geschlossen.

Der BGH stellt eine solche Behauptung zwar auf, begründet allerdings nicht, weshalb trotz der in einem selektiven Vertriebssystem regelmäßig vorhandenen Möglichkeit, Querlieferungen an in anderen Mitgliedstaaten ansässige Vertragshändler durchzuführen, ohne Schutz des Parallelimports eine Marktabschottung drohen soll. Auch Hacker vermag insoweit nicht zu überzeugen:

 

Literatur

Hacker begründete die Erstreckung der Beweislastumkehr auch auf selektive Vertriebssysteme in der vom OGH nicht bemühten Vorauflage (Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz10 § 24 Rz 42) zunächst damit, dass auch ein selektives Vertriebssystem kartellrechtlich bedenklich sein könne, etwa wenn Querlieferungen vertraglich untersagt würden. Weshalb nur deshalb auch die überwiegende Mehrzahl der kartellrechtlich unbedenklichen selektiven Vertriebssysteme die Gefahr einer Marktabschottung nach sich ziehen und zur Beweislastumkehr führen soll, kann auf diese Weise freilich nicht erklärt werden. Daneben verwies Hacker in der Vorauflage darauf, dass laut EuGH Rs C-349/95 „Loendersloot/Ballantine“ der Parallelhandel mit EU-Waren auch gegenüber einem selektiven Vertriebssystem Schutz genieße (Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz10 § 24 Rz 42). In dieser Pauschalität kann dies der genannten Entscheidung des EuGH allerdings nicht entnommen werden: Vielmehr hat der EuGH darin eine „künstliche Abschottung der nationalen Märkte“ als tatsächlich gegeben vorausgesetzt und die Frage, ob eine solche Abschottung tatsächlich droht, ausdrücklich den nationalen Gerichten überlassen. Dass eine solche Abschottung schon aufgrund eines bestehenden selektiven Vertriebssystems droht, hat der EuGH also gerade nicht behauptet. Auch hatte die dort Beklagte nicht mit der Behinderung des Parallelhandels an sich, sondern mit der dadurch drohenden „künstlichen Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten“ argumentiert.

In der nun aktuellen Auflage (Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz11 § 24 Rz 44) , auf die sich der OGH (4 Ob 170/15a) bezieht, hat Hacker diese beiden wenig überzeugenden Argumente fallen gelassen. Er beharrt zwar auf seinem Standpunkt, beruft sich nun aber auf die genannten Entscheidungen des BGH, die allerdings sowohl eine überzeugende Begründung als auch – wie Hacker (in seiner FN 116) selbst bemerkt – eine klare Tendenz vermissen lassen: Vielmehr zeugen sie von einem Mangel an Problembewusstsein, wird der Selektivvertrieb vom BGH doch zunächst ohne jede Begründung in einen Topf mit dem Exklusivvertrieb geworfen (BGH I ZR 217/03) , wohingegen in der Folgeentscheidung – ohne dass diese Abweichung vom BGH angesprochen würde – trotz eines geschlossenen Vertriebssystems wieder keine Anhaltspunkte für eine Marktabschottung gesehen werden (BGH I ZR 26/10). Aus der schwankenden Rechtsprechung des BGH ist daher wenig zu gewinnen. Hacker behauptet in weiterer Folge ohne nähere Begründung, dass es auf die Kartellrechtskonformität des Vertriebssystems nicht ankomme und verkennt damit, dass ein selektives Vertriebssystem gerade dann nicht kartellrechtskonform ist, wenn es – etwa durch ein Verbot von Querlieferungen – die Gefahr einer Abschottung der nationalen Märkte nach sich zieht. Der Schutzzweck der Beweislastumkehr zur markenrechtlichen Erschöpfung und der Schutzzweck der kartellrechtlichen Vorgaben an ein selektives Vertriebssystems dürften insoweit derselbe sein, sodass von kartellrechtskonformen Vertriebssystemen sehr wohl vermutet werden kann, dass sie keine Marktabschottung begünstigen. Während Hacker dann richtig bemerkt, dass es darauf ankomme, „ob der Markeninhaber mittels seines Vertriebssystems verhindern kann, dass die betreffenden Waren im Binnenmarkt grenzüberschreitend vertrieben werden, ob also eine Gefahr der Marktabschottung besteht,“ unterlässt er in weiterer Folge die Prüfung, ob dies bei selektiven Vertriebssystemen auch tatsächlich der Fall ist, ob der Markeninhaber den grenzüberschreitenden Vertrieb also tatsächlich verhindern kann und wenn ja, wie. Hacker irrt, wenn er dies schon aus dem vertraglichen Verbot, an Händler außerhalb des Vertriebssystems zu verkaufen, folgert: Schließlich hindert ein solches Verbot die Vertragshändler nicht am grenzüberschreitenden Vertrieb an die (oft zahlreichen) Vertragshändler in anderen Mitgliedstaaten.

Ingerl/Rohnke, Markengesetz³ § 24 Rz 89, behaupten ohne auch nur ansatzweise Begründung, dass die Argumentation des EuGH und des BGH zum ausschließlichen Vertriebssystem auch auf selektive Vertriebssysteme übertragbar sei. Der grundlegende Unterschied in der Eignung, eine Marktabschottung herbeizuführen, wird offenbar nicht erkannt, obwohl der EuGH die Beweislastumkehr letztendlich nur auf diese Eignung stützt.

Schöner, Darlegungs- und Beweislast der markenrechtlichen Erschöpfung nach „Stüssy II“, WRP 2004, 430 ff, beschreibt demgegenüber in überzeugender Weise den Unterschied zwischen Vertriebssystemen, durch die eine Abschottung der nationalen Märkte droht (z.B. Exklusivvertrieb) und Vertriebssystemen, durch die eine solche Abschottung der nationalen Märkte gerade nicht droht (z.B. Selektivvertrieb). Er macht deutlich, dass es in selektiven Vertriebssystemen durch die kartellrechtlich zwingend vorgeschriebene Möglichkeit, andere Vertragshändler des Vertriebssystems unabhängig von deren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat zu beliefern (Querlieferungen), zu keiner Abschottung der nationalen Märkte kommen kann, und dass insoweit der Grundsatz des freien Warenverkehrs auch keine Beweislastumkehr für die markenrechtliche Erschöpfung fordern kann.

Auch Engin-Deniz, MSchG, § 10b, S. 153, sieht es als selbstverständlich an, dass ein selektives Vertriebssystem – anders als ein ausschließliches Vertriebssystem – mangels Begünstigung einer Marktabschottung nicht zu einer Beweislastumkehr bei der markenrechtlichen Erschöpfung führt.

 

Stellungnahme

Zusammengefasst haben weder die Höchstgerichte noch Hacker überzeugend dargelegt, durch welchen Mechanismus in einem selektiven Vertriebssystem, in dem den Vertragshändlern zwar Lieferungen an Händler außerhalb des Vertriebssystems, nicht hingegen an Vertragshändler außerhalb eines bestimmten Vertragsgebiets untersagt sind, eine Abschottung der nationalen Märkte begünstigt wird, wenn ein netzfremder Händler seine Bezugsquelle offenlegen muss, etwa um vor Gericht die markenrechtliche Erschöpfung zu beweisen. Der durch diese verfehlte Rechtsprechung geschützte Parallelimport von Waren, die über ein selektives Vertriebssystem vertrieben werden, ist nicht notwendig, um einer Abschottung der nationalen Märkte vorzubeugen.

Vielmehr ist von der überzeugenden Argumentation, die den EuGH in Fällen der erwiesenermaßen drohenden Marktabschottung zur Umkehr der Beweislast bei der Erschöpfung eines Markenrechts veranlasst hat, nicht viel übrig geblieben:

  1. Dass die Gefahr einer Marktabschottung markenrechtliche Relevanz hat, ist unbestreitbar. Die von § 10b Markenschutzgesetz angeordnete markenrechtliche Erschöpfung durch das Inverkehrbringen im EWR hat den Zweck, die nationalen Märkte zu öffnen. Verhaltensweisen des Markeninhabers, die eine Marktabschottung begünstigen, laufen diesem Zweck zuwider und widersprechen daher dem Grundsatz des freien Warenverkehrs (EuGH Rs C-244/00 „van Doren“, Rn 38 und 41).
  2. Der EuGH wollte den freien Warenverkehr schützen, indem er bei vertraglichen Verboten grenzüberschreitender Lieferungen und dadurch drohenden unterschiedlichen Preisniveaus in den Mitgliedstaaten, also für den Fall einer drohenden Abschottung der nationalen Märkte ohne Beweislastumkehr, die Beweislast des Markeninhabers für die Erschöpfung des Markenrechts vorschrieb. Er machte deutlich, dass dem belangten Dritten der Beweis obliegt, dass die Voraussetzung für diese Beweislastumkehr tatsächlich vorliegt, dass also ohne Beweislastumkehr eine Marktabschottung auch tatsächlich droht.
  3. Der BGH ist dieser Vorgabe des EuGH gefolgt, hat der Frage, ob eine Marktabschottung ohne Umkehr der Beweislast tatsächlich droht, allerdings zu wenig Beachtung geschenkt und auch nicht berücksichtigt, dass der belangte Dritte zumindest dies beweisen muss (BGH I ZR 217/03, I ZR 52/10). Weshalb bei Vorliegen eines selektiven Vertriebssystems eine Marktabschottung drohen soll, kann der BGH nicht nachvollziehbar erklären.
  4. Der OGH hat sich ebenfalls auf die Rechtsprechung des EuGH berufen und überträgt sie auf die Frage, wann ein Auskunftsbegehren nach § 55a Markenschutzgesetz unverhältnismäßig ist (OGH 4 Ob 10/15a). Das mag nicht nur im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, sondern zum Schutze des freien Warenverkehrs geboten sein.
  5. Jedoch erachtet der OGH unter Berufung auf den BGH eine solche Abschottung der Märkte schon in Fällen als drohend, in denen Vertragshändler eines selektiven Vertriebsnetzes keine netzfremden Händler beliefern dürfen und die netzfremden Händler ihre – vertragswidrig agierenden – Bezugsquellen offen legen müssen. Begründung liefert auch der OGH keine. Die Entscheidung des EuGH trägt diese Sichtweise der nationalen Höchstgerichte gerade nicht.

Unabhängig von bislang ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen kann die Sichtweise des OGH, wonach eine Abschottung nationaler Märkte schon durch den Zwang zur Offenlegung der Bezugsquellen eines netzfremden Händlers im Falle eines selektiven Vertriebssystems drohe, nicht richtig sein: Das wird schon daran erkennbar, dass qualitativ-selektive Vertriebssysteme nicht als wettbewerbsbeschränkend angesehen werden, sofern sie gewisse Voraussetzungen erfüllen (Hengst in Langen/Bunte, Kartellrecht II12 Art. 101 AEUV Rn 442). Sie bedürfen dann also nicht einmal einer kartellrechtlichen Freistellung. Würde im Falle eines solchen Vertriebssystems die Gefährdung des Parallelhandels durch Offenlegung von vertragsbrüchigen Vertragshändlern nun stets die Gefahr einer Marktabschottung nach sich ziehen, so wären sie selbstverständlich sehr wohl wettbewerbsbeschränkend. Denn ein selektives Vertriebssystem ist auch dann nicht marktabschottend, wenn überhaupt kein Parallelhandel stattfindet.

Weshalb ein qualitativ-selektives Vertriebssystem als nicht wettbewerbsbeschränkend gilt und in aller Regel auch keine Gefahr einer Abschottung nationaler Märkte nach sich zieht, ist schnell beschrieben: Zum einen kann sich jeder netzfremde Händler (also auch der belangte Dritte) um einen Händlervertrag bewerben, also Mitglied des Vertriebsnetzes werden, wenn er die objektiv notwendigen Standards erfüllt. Zum anderen müssen Querlieferungen innerhalb eines selektiven Vertriebsnetzes auch grenzüberschreitend zulässig sein. Andernfalls ist das Vertriebssystem nicht nur wettbewerbsbeschränkend, sondern auch nicht gruppenfreigestellt (Art 4 lit d Vertikal-GVO Nr. 330/2010).

 

Ergebnis

Im Ergebnis begünstigt ein selektives Vertriebssystem an sich daher keine Abschottung der nationalen Märkte. Es begünstigt auch noch keine Abschottung der nationalen Märkte, wenn bei Vorliegen eines selektiven Vertriebssystems der vermeintliche Markenverletzer beweisen muss, dass die Markenrechte an den von ihm vertriebenen Waren schon erschöpft sind. Schließlich kann eine solche Erwägung auch keine Unverhältnismäßigkeit eines Auskunftsbegehrens rechtfertigen.

 

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